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Festival

Arctic Monkeys und Co: Publikumsmagnete und frische Klänge prägten das 20. Southside Festival

Stefan Rother
  • So, 24. Juni 2018, 20:30 Uhr
    Rock & Pop

Auch einige etablierte Namen beschritten diesmal neue Wege: Bei seiner 20. Ausgabe präsentierte das Southside Festival bei Sonnenschein vor 60.000 Zuschauern einen anregenden Mix.

Chvrches-Sängerin Lauren Mayberry Foto: Stefan Rother
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Neue Musik ist spannend, aber Festivaltickets verkauft man immer noch vor allem mit etablierten Namen. Dem am Sonntagabend zu Ende gegangenen Southside Festival gelang dabei auch bei seiner 20. Auflage der Mix aus Publikumsmagneten und frischen Klängen. Noch besser: Auch einige der etablierten Namen beschritten vor den 60 000 Zuschauern dieses Mal neue Wege.

Das galt in besonderem Maße für die Arctic Monkeys. Manch älterer Musikfan mag sie noch als "die spannende neue Band aus England" abgespeichert haben, tatsächlich gehören die Briten schon längst zu den etablierten Kräften. Ihre Entstehungsgeschichte dürfte für die beim Southside stark vertretene Generation Instagram prähistorisch anmuten: Denn der Durchbruch der Monkeys war zu einem nicht unerheblichen Teil der Präsenz auf der Musikplattform MySpace zu verdanken. Was heute selbstverständlich ist – neue Bands im Netz zu entdecken und auf Musik digital zuzugreifen –, war im Jahr 2005 noch ein neues Phänomen. Die Band aus Sheffield diente sicher als Katalysator für diese Entwicklung – was aber nur klappte, weil sie die richtigen Songs im Gepäck hatte, allen voran die elektrisierende Single "I Bet You Look Good on the Dancefloor". Frontmann Alex Turner war zu Zeiten des Durchbruchs noch ein Teenager und ist somit heute mit 32 Jahren sicher noch kein alter Mann, aber doch schon ein Veteran.

Die Arctic Monkey waren das vierte Mal da

Gemütlich auf seinem Erfolg ausruhen kommt für ihn dennoch nicht in Frage. Und so überraschte er nach mehreren Monkeys-Alben, spannenden Soloprojekten, zwei früheren Auftritten beim Southside und einer längeren Pause in diesem Jahr mit einem ungewohnten neuen Stil. Denn "Tranquility Base Hotel & Casino", das sechste Album der Band klingt weniger nach Indierock als nach elegantem 60er Jahre-Pop mit einem Schuss Lounge-Musik. Auf einer Platte als in sich abgeschlossene Erfahrung mag dies funktionieren – aber wie gelingt die Umsetzung auch im Festival-Kontext? Beim spätabendlichen Auftritt am ersten Festivaltag zeigte sich: überraschend gut. Optisch könnte Turner mit langen glatten Haaren und Anzug als Sänger in einem Casino durchgehen. Ganz so zurückgelehnt wie auf dem Album kamen die neuen Songs nicht daher – die Temperaturen auf dem exponierten Festivalgelände in Neuhausen ob Eck bewegten sich da, passend zum Bandnamen, in niedrigen einstelligen Gefilden. Da will getanzt werden, und so verbanden die Arctic Monkey die neue Eleganz mit dem jugendlich-fiebrigen Funk der frühen Jahre.

Ein Spagat, den auch die nach Mitternacht aufspielenden Arcade Fire hinlegten. Das kanadische Musikerkollektiv galt lange als Konsens-Indie, den jüngsten Stilwechsel wollten aber nicht alle Fans mitmachen. Denn statt barock inszenierter treibender Rockmusik haben Win Butler und Régine Chassagne, Ehepaar und führende Kräfte der Band, ihre Liebe zur Disco entdeckt. So treffen auf den aktuellen Songs Melodien im Stile von Abba und Blondie auf Beats und Synthesizer-Klänge, wie man sie von französischen Elektro-Acts kennt. Für langjährige Southside-Besucher war dies eine willkommene Abwechslung, schließlich war die Band bereits das vierte Mal zu Gast.

Für Chvrches war es dagegen erst der zweite Auftritt, aber die Schotten mit dem eigenwillig buchstabierten Bandnamen boten dennoch in diesem Jahr ein klares Kontrastprogramm. Spielten sie 2014 noch auf einer dunklen Zeltbühne und ließen mit ebenso dunklen Beats die Magengruben flimmern, betraten sie dieses Mal bei strahlendem Sonnenschein die Open-Air-Bühne. Auch ihr neues Album "Love is Dead" traf bei Fans und Kritikern nicht auf ungeteilte Zustimmung: zu poppig und kommerziell, lautete der Vorwurf. Für einen Festivalnachmittag ist die Mischung aus weiterhin schweren Beats und den leichter gewordenen Melodien aber genau richtig.

Zum Glück ist in dem Genre Wohlklang kein Kriterium

Und dann gibt es noch Bands, die stehen unverwüstlich zu ihrem Stil – und das ist auch gut so. Feine Sahne Fischfilet ist so ein Fall. Selbst wer sich eher wenig mit Ska-Punk aus Mecklenburg-Vorpommern auseinandersetzt, dürfte von der Band schon gehört haben. Sie wurde wiederholt im Verfassungsschutzbericht des ostdeutschen Bundeslandes als linksextrem geführt. Als der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas die Band für ihr zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus und für den sozialen Zusammenhalt in den neuen Bundesländern lobte, erntete er von konservativen Politikern und Boulevardpresse Kritik.

Statt solcher Querelen plagte Frontmann Jan "Monchi" Gorkow beim Southside ein klassisches Punkrocker-Problem: Am Vorabend hatte er beim Zwillingsfestival Hurricane zu viel gefeiert und krächzte daher mit klar angeschlagener Stimme. Zum Glück ist in dem Genre Wohlklang kein Kriterium, und so lieferten die seit Schulzeiten zusammenspielenden Musiker einen mitreißenden Auftritt. In den Texten geht’s nicht nur um Politik – "Niemand wie ihr" ist etwa eine Liebeserklärung von Monchi an seine Eltern. Trotz zahlreicher jugendlicher Verfehlungen hätten diese immer zu ihm gehalten: "Mutti und Papi, ich weiß ihr schaut zu im Livestream – ihr seid die geilsten Menschen der Welt", verkündete der schwergewichtige Sänger dann auch im Konzert. Zu seiner Vergangenheit zu stehen und darauf aufbauend etwas Neues zu entwickeln – dieser beim diesjährigen Southside häufig anzutreffende Zugang fand sich somit auch noch bei den Fischfilets.

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Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 25. Juni 2018: PDF-Version herunterladen

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