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Otto Warmbier: Tod eines Abenteurers

Frank Herrmann

Von

Mi, 21. Juni 2017

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IM PROFIL: Der US-Amerikaner Otto Warmbier stirbt nach 17-monatiger Lagerhaft in Nordkorea / Hintergründe liegen im Dunkeln.

Otto Warmbier (2016)   | Foto: dpa
Otto Warmbier (2016) Foto: dpa
Es sind körnige, unscharfe Bilder, gefilmt im Flur eines Hotels in Pjöngjang. Sie zeigen einen hochgewachsenen Mann, der ein Plakat von der Wand nimmt, es nicht abreißt, sondern vorsichtig daran zieht, bis es sich löst, und es behutsam auf den Boden legt. Das Propagandaposter, offensichtlich sollte es ein Souvenir sein, das er mit nach Hause nehmen wollte.

Wieder und wieder sind die Bilder in den Nachrichten der US-Fernsehsender gelaufen, seit Otto Warmbier nach 17 Monaten nordkoreanischer Gefangenschaft in seine Heimatstadt Cincinnati zurückkehrte. Als er ankam, war er im Wachkoma, entweder seit Wochen oder seit Monaten, genau wissen es nur seine Bewacher. Ab und an, so schildern es seine Eltern, öffnete er seine Augen. Doch weder konnte er sprechen, noch reagierte er auf Worte oder Gesten. Am Montagabend ist Warmbier in einer Klinik in Cincinnati verstorben, ein 22-Jähriger, der in diesem Monat seinen Uniabschluss gemacht hätte, wäre alles nach Plan verlaufen.

An der University of Virginia hatte er Ökonomie studiert. Er begeisterte er sich für Rap-Musik, an seiner Schule war er Kapitän der Fußballmannschaft gewesen. Ein abenteuerlustiger junger Mann, der die Welt entdecken wollte – so charakterisieren ihn Verwandte und Freunde.

Was Warmbier hinter Gittern widerfuhr, ist einstweilen unklar. Nach der Version des Regimes von Kim Jong-Un litt er an Botulismus, einer seltenen Krankheit, die man sich nach dem Verzehr verdorbener Lebensmittel zuziehen kann. Man habe ihm eine Schlaftablette gegeben, danach sei er ins Koma gefallen, sagen die Nordkoreaner. Amerikanische Ärzte, die den Patienten nach seiner Rückkehr untersuchten, sprechen von schweren neurologischen Verletzungen, ohne dass sie den Grund nennen könnten. Fest stehe, der Student habe große Mengen an Hirngewebe verloren. Knochenbrüche, fügten die Mediziner an, hätten sie nicht festgestellt, auch sonst nichts, was darauf schließen ließe, dass Warmbier brutal geschlagen wurde.

So rätselhaft die Krankengeschichte ist, so empört ist die amerikanische Öffentlichkeit über die Behandlung eines Weltenbummlers, den wohl die Neugier nach Nordkorea trieb. Am 30. Dezember 2015 reiste Warmbier von Peking nach Pjöngjang, vermutlich aus einem spontanen Einfall heraus. In China hatte ein Reisebüro mit Kurztrips geworben, offenbar reizte den Jungen aus Ohio die Aussicht, Silvester in einem abgeschotteten Land zu feiern, aus westlicher Sicht eine terra incognita. Am 2. Januar wurde er auf dem Flughafen Pjöngjangs verhaftet. Die letzten Bilder, die einen Otto Warmbier bei vollem Bewusstsein zeigen, sind Szenen des Schauprozesses, bei dem er gezwungen wurde, ein Geständnis abzulegen. Er habe den schwersten Fehler seines Lebens gemacht, sagte er unter Tränen. "Bitte retten Sie mein Leben."

Im März 2016 wegen staatsfeindlicher Aktivitäten zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, schrieb er noch einmal an seine Eltern – jedenfalls gibt es nur einen Brief, der seit dem Urteilsspruch in Cincinnati ankam. Danach herrschte Funkstille, bis die Nordkoreaner der US-Regierung Anfang Juni mitteilten, dass der Student im Koma liege. Selbst Bill Richardson, ein Politiker, der unter dem Präsidenten Bill Clinton UN-Botschafter war und regelmäßig mit Pjöngjang verhandelt, um gefangene Landsleute freizubekommen, sieht sich hinters Licht geführt. Zwanzig Mal, sagt der Demokrat, habe er nordkoreanische Emissäre seit der Festnahme Warmbiers getroffen. Kein einziges Mal sei dessen Gesundheitszustand auch nur erwähnt worden. Der republikanische Senator John McCain ruft nach Konsequenzen: "Die Vereinigten Staaten können und dürfen es nicht hinnehmen, wenn einer ihrer Bürger durch eine feindliche Macht ermordet wird."

Die Eltern des Toten wiederum haben einen Abschiedsbrief zu Papier gebracht, der so schlicht wie bewegend ist, dass er vielen nur Bewunderung abringt. Als ihr Sohn am 13. Juni heimgekehrt sei, habe er ausgesehen, als sei er von Schmerzen geplagt, schreiben Fred und Cindy Warmbier. Innerhalb eines Tages habe sich sein Gesichtsausdruck spürbar verändert, vom Ängstlichen zum Friedlichen. "Er war zu Hause, und wir glauben, dass er das spüren konnte."

Ressort: Kommentare

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 21. Juni 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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