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Big-Wave-Surfing in Irland: ein Surftraum in Grün

Charlotte Janz

Von Charlotte Janz

Fr, 07. August 2015 um 12:17 Uhr

Reise

Unter Surfern gilt Irland als das Kaltwasser-Indonesien. Das heißt: Große Wellen, perfekte Riffformationen und wagemutige Surfer. Peter Conroy ist einer von ihnen.

Peter Conroy in Mullaghmore Head im Januar 2013: Der Ritt auf dieser Riesenwelle hat ihm eine Nominierung für die XXL Big Wave Awards der Welt-Surf-Liga eingebracht. Foto: Roo McCrudden
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Rasenmähen ist in Irland eine Vollzeitbeschäftigung. Seit wir die Fähre in Rosslare verlassen haben, sind wir an unzähligen mähenden Menschen vorbeigefahren. Sogar staubsaugerähnliche Roboter haben wir über irrwitzig grüne Wiesen holpern und surrend ihre Stutz-Arbeit verrichten sehen. Als wir im County Clare nahe Milltown Malbay in die Einfahrt unseres Freundes einbiegen, liegt der Geruch von frisch geschnittenem Gras in der Luft. Peter Conroy verstaut seinen Rasenmäher im Schuppen und winkt uns zu. Peter ist ein Ire wie viele. Er mäht seinen Rasen, geht mit Freunden im Pub ein Guinness trinken und liebt Soft-Eis. Aber er ist noch mehr: Peter, 65 Kilo schwer, 1,77 Meter groß, ein spiddeliges Kerlchen, surft die gefährlichsten Wellen Irlands – je größer, desto besser.

"Vor dem Frühstück schon in der Tube stehen, macht glücklich." Peter Conroy
Irland ist ein Paradies für Wellenreiter. Die exponierte Lage im Atlantik und die Riffformationen machen die grüne Insel zu einem der Top-Surfgebiete der Welt – mit einem Haken: den ungastlichen Wassertemperaturen. Im Winter ist das Meer gerade mal 8 Grad warm, auszuhalten nur mit Neoprenanzug, -haube, stiefeln und -handschuhen. Im Sommer steigt das Thermometer maximal auf 16 Grad an. Wer bei diesen Temperaturen, oft orkanartigen Winden und horizontalem Regen surfen geht, bringt eine Passion für den Sport mit, die von Innen heraus wärmt.

Morgens schon in der Tube stehen

Peters Haus ist ein Surf-Schrein. Im Garten steht eine Quaterpipe zum Skateboarden. An den Wänden hängen Poster von hochhaushohen Wellen, in ihnen ein kleiner schwarzer Punkt, Peter. Bevor wir ins Wohnzimmer kommen, führt Peter uns durch einen Torbogen. Auf seine Innenseite ist eine Welle gemalt, die sich über die Decke des Flurs aufbäumt und auf der anderen Seite bricht. Jeder Tag, der im Bauch einer Welle beginnt, ist ein guter Tag für Peter. "Vor dem Frühstück schon in der Tube stehen, macht glücklich. Tee oder Kaffee?"

Schwarztee mit Milch natürlich. Wir trinken aus Tontassen, auf die kleine Surfer gebrannt sind. Und Peter erzählt. Von den Anfängen des Big-Wave-Surfing in Irland. Von einer Entdeckung im Jahre 2005 ganz in der Nähe seines Hauses. Von dem irischen Surfer John McCarthy, der am Fuße der mehr als 200 Meter hohen Cliffs of Moher erstmals eine riesige Welle reitet, die fortan Aileen’s heißt. Von Mullaghmore und Riley’s, den anderen mystischen Big-Wave-Spots der Insel. Von Wellen, die zu groß wurden, um sie mit Menschenkraft anzupaddeln. Und von Jetskis, die die Grenzen des Möglichen nach oben korrigiert haben.

"It could be worse. It could be raining." Lebenseinstellung der Iren
Seiner steht im Schuppen zwischen Surfbrettern, Neoprenanzügen und Schwimmwesten. An der Außenwand des Schuppens hängen Peters Trophäen: seine zerbrochenen Boards. Darunter wächst Salat in einem Beet. Seamus O’ Riain, Peters Mitbewohner und Surffreund, zupft Unkraut und gibt den täglichen Wellenreport durch. Seamus arbeitet als Lifeguard am Strand von Spanish Spoint. Die Wellen seien klein und der Wind zerstöre ihre Form. Die Laune der beiden verdirbt das nicht. Seamus zuckt die Schultern und sagt: "It could be worse. It could be raining."

Dass das mehr als ein Spruch ist, merken wir schnell. Es ist eine Lebenseinstellung. Die Surfer der Insel sind geduldige und dankbare Menschen. Wenn der Atlantik im Sommer mal ein Päuschen einlegt, ist das sein gutes Recht. Und wenn Stürme weit draußen auf dem Meer wieder perfekte dunkelgrüne Wellen an Irlands Küste donnern lassen, dann wird gesurft – egal bei welchem Wetter.

Irlands Wellenreitszene ist überschaubar

Wir haben Glück. Der irische Dauerregen bleibt für uns ein Mythos. Die Sonne scheint, als wir uns mit unserem VW-Bus auf dem Wild Atlantic Way, Irlands spektakulärer Küstenstraße, in Richtung Norden aufmachen. Peter, der monströse Wellen ja nur zum Spaß surft, muss die nächsten Tage seinem Beruf als Feuerwehrmann und Sanitäter in Dublin nachgehen. Seamus sollte an seiner Master-Arbeit schreiben, geht bei dem schönen Wetter aber lieber Krebse jagen. Und wir wollen das Land, seine Wellen und die Surfszene weiter erkunden.

Obwohl Peter nicht dabei ist, reist er mit. Ob in Easky, in Bundoran oder in Dunfanaghy ganz im Norden des Landes: Wo auch immer wir uns ins eiskalte Wasser stürzen, treffen wir Surfer, die unseren Freund kennen. Irlands Wellenreitszene ist überschaubar. Im ganzen Land wohnen nur viereinhalb Millionen Menschen. Ein Bruchteil davon surft. Man kennt sich.

Im Narosa Surfshop in Dunfanaghy besuchen wir einen der wenigen Sponsoren, die Peter hat. Lee Wood ist extra aus Schottland nach Irland gezogen, weil er auf einer Reise über die beste Welle seines Lebens gestolpert ist. Wo genau die ist, verrät er uns natürlich nicht. Aber er gibt uns die Wegbeschreibung zu einem anderen Geheimtipp. Zehn Minuten später passieren wir auf einer Schotterstraße ein einsames Farmhaus, ganz langsam, wie angewiesen, damit der Bauer uns nicht mit der Flinte verjagt. Wir parken vor seiner Kuhweide, schlüpfen mit den Surfbrettern unterm Arm durchs Gatter und hoffen, dass auch Lees Einschätzung mit den friedlichen Bullen stimmt.

Nur eine Robbe stört die Zweisamkeit

Und dann laufen wir erstmal. Und laufen. Wir haben jeder ein Longboard unterm Arm, ein knapp drei Meter langes Surfbrett. Wir tragen von Kopf bis Fuß fünf Millimeter dicken Neopren. Eher untypisch, unsere Wanderausrüstung. "Just a short walk", hatte Lee gesagt. Nach 20 Minuten erreichen wir endlich den Strand. Der Sand ist Malediven-weiß, das Wasser türkis, und die Wellen laufen sauber in die Bucht. Wie so oft in Irland, haben wir den Spot für uns.
Nur eine Robbe steckt ab und an den Kopf aus dem Wasser und leistet uns gelangweilt Gesellschaft. Am Abend schlendern wir im Surfshop vorbei, um uns für den Tipp zu bedanken. Lee lädt uns zum Grillen ein. Ist eigentlich jeder in Irland so verdammt gastfreundlich?

Auf dem Rückweg nach County Clare sollen wir Peter einen Gefallen tun. Dass er uns damit einen Gefallen tut, merken wir erst, als wir in Bundoran vor Richie Fitzgerald stehen, einem der berühmtesten Surfer Irlands. 2007 ist er für Aufnahmen zum Film "Waveriders" die bis dahin größten Wellen vor Irlands Küste in Mullaghmore Head gesurft (etwa 16 Meter hoch). Und ausgerechnet von dieser Koryphäe nehmen wir nun eine Rettungsmatte für den Jetski, Schwimmwesten und Riffhelme entgegen. "Auf dieser Jetski-Matte hat Big-Wave-Surfing in Irland begonnen", sagt Richie. Dann klopft er uns mit knochenbrecherischer Kraft auf den Rücken und sagt, wir sollen nächstes Mal länger bleiben.

Peter kümmert sich um die Sicherheit der Surfer

Zurück in County Clare freut sich Peter wie ein Kind, als Richies Big-Wave-Zubehör aus unserem Bus herauspurzelt. Warum hat Richie die geschichtsträchtige Ausstattung überhaupt verkauft? "He’s a family man now", sagt Peter, der selbst eine Freundin hat und an Kinder denkt. Richie will sein Leben nicht mehr in Riesenwellen riskieren. Und Peter? Der spricht von kalkulierten Risiken, während er die neuen Schätze in den Schuppen räumt.

In der Surfszene ist Peter Conroy nicht nur für seine Ritte auf aberwitzig großen Wellen bekannt. Und für seine Nominierung für die XXL Big Wave Awards der Welt-Surf-Liga im Jahr 2013.
Youtube: Peter Conroy at Mullaghmore - Billabong XXL Big Wave Awards 2013

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Peter hat sich auch einen Namen als Sicherheitsexperte im Wasser gemacht. Das britische Surfmagazin "Carve" hat ihn neulich gar als Sicherheitsguru bezeichnet. Er gibt Kurse, wie man Surfer in Gefahr am besten rettet. Er arbeitet mit Gesellschaften wie der European Association of Surfing Doctors zusammen, um den Sport sicherer zu machen. Am Fuße der Cliffs of Moher hat er ein Überlebenskit mit Decken, Verbandszeug und Medikamenten deponiert. Falls ein Surfer in die Bucht gespült wird, hinter sich die Wut des Atlantiks mit haushohen Wellen, vor sich eine 200 Meter hohe Felswand. Peter ist das einmal passiert. Surfer müssen sich selbst retten können, findet er. Die Küstenwache soll für sie nicht ihr Leben aufs Spiel setzen. Dass es am sichersten wäre, keine Monsterwellen zu surfen, ist für Peter keine Option. Er möchte die größten Tubes der Insel reiten – das Risiko, dabei ums Leben zu kommen, aber so niedrig wie möglich halten.

"Warm Water is for the Weak" & "Cold, Wet, Windy…perfect"Slogans der irischen Surfmarke Emerald
Surfen steckt in Irland im internationalen Vergleich noch in den Kinderschuhen: Es gibt keine nennenswerte Surfindustrie. Boards und Neoprenanzüge kommen meist aus England. Die großen australischen und US-amerikanischen Surfmarken haben ihre europäischen Hauptquartiere in Frankreich aufgeschlagen. Emerald, die einzige irische Surfmarke, stellt vor allem Basecaps und T-Shirts her. Kleidung, die vom Surfen handelt, zum Surfen aber nutzlos ist. Die Marke verkauft ein Lebensgefühl. Irische Surfer sind keine braungebrannten Beachboys in Bordshorts. Irische Surfer sind harte Typen. Frauen gibt es kaum. "Warm Water is for the Weak" ist so ein Slogan, der Shirts und Kapuzenpulli schmückt. Und "Cold, Wet, Windy…perfect" oder "The Emerald Isle: It ain’t Malibu". Alles kleine Seitenhiebe auf die Surf-Kollegen in wärmeren Gewässern.

Verletzungen gehören zum Surfen in Irland dazu

Im Glór Theatre in Ennis trifft sich an einem Donnerstag im Juni das Surfvolk von County Clare. Es werden Fotos von einem lokalen Künstler gezeigt und Kurzfilme von Wellenreitern und Filmemachern aus der Region. Peter kennt jeden mit Namen. In der Lobby stehen Männer auf Krücken, Männer mit bandagierten Armen, Männer mit Narben. Angeben tut keiner. Jammern auch nicht. Verletzungen gehören zum Surfen dazu. Nicht der Rede wert.

Viele gefährliche Wellen werden in Irland erst seit wenigen Jahren gesurft. Vorher galt das als unmöglich. Heute definiert eine kleine Gruppe von waghalsigen Iren, was im Surfen alles möglich ist. Manchmal hat das seinen Preis. Aber: "It could be worse. It could be raining."
Surfen in Irland

Anfahrt: Mit dem Auto von Freiburg zu den französischen Häfen Cherbourg (900 Kilometer) oder Rosscoff (1100 Kilometer). Von dort gibt es direkte Fährverbindungen, meist über Nacht, nach Dublin, Cork oder Rosslare mit Irish Ferries, Brittany Ferries oder Stena Line.
Mit dem Flugzeug: Von Basel nach Dublin (Ryanair), von Frankfurt-Hahn nach Kerry und Dublin (Ryanair), von Stuttgart nach Dublin (Aer Lingus), von Zürich nach Dublin (Swiss Air), von Karlsruhe-Baden via London nach Cork, Shannon, Derry (Ryanair).
Auskunft: wichtige Infos von Tourism Ireland gibt es auf http://www.ireland.com

Die Reise wurde unterstützt von Tourism Ireland. .

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Ressort: Reise

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