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Freiburg

Evakuierung wegen Weltkriegsbombe

Simone Lutz
  • Fr, 11. Mai 2018
    Freiburg

Am Mittwochabend mussten rund 1700 Anwohner ihre Wohnungen verlassen / Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften.

Bernd Gekeler vom Kampfmittelbeseitigungsdienst mit der entschärften Bombe Foto: Thomas Kunz
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FREIBURG-MOOSWALD. Aufregung am Mittwochabend: Auf einer Baustelle an der Ecke Breisacher Straße/Berliner Allee wurde eine 250 Kilogramm schwere Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Bis der Kampfmittelbeseitigungsdienst den instabilen Zünder entfernt hatte, mussten rund 1700 Anwohner ihre Wohnungen verlassen. Auch die Westarkaden, das Hotel Stadt Freiburg und Gebäude der Uniklinik wurden evakuiert. Erst gegen 23.20 Uhr war die Bombe entschärft und die Bewohner konnten wieder in ihre Häuser. Zu Schaden kam niemand.

"Ist das ein Witz?" Der junge Mann, der vor dem Döner-Imbiss in den Westarkaden sitzt und seinen Kebab isst, schaut verblüfft auf sein Handy. Bombenalarm per Internet! Direkt ums Eck, auf dem Gelände des abgerissenen Autohauses Märtin, ist bei Baggerarbeiten eine Weltkriegsbombe entdeckt worden. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst, der aus Sindelfingen angerückt ist, hält den Zünder für gefährlich: Die Bombe war wohl schon öfter bewegt worden, der Zünder demoliert – gar nicht gut.

Sofort evakuieren, entscheiden die Experten – in einem Radius von 300 Metern müssen alle Gebäude geräumt werden. Das heißt: Etwa 1700 Anwohner sollen so schnell wie möglich fort, und auch alle anderen, die sich in diesem Bereich aufhalten. Polizei und Stadtverwaltung verschicken die Nachricht, die über die Homepage der BZ und über soziale Medien wie Facebook und Twitter schnell Verbreitung findet. Und so begibt sich auch der junge Mann hinter das rot-weiße Flatterband, das Polizisten im hinteren Teil der Westarkaden gespannt haben.

Experten und Helfer
Die Entscheidung, die Bombe an Ort und Stelle zu entschärfen, hat eine Maschinerie in Gang gesetzt. Fast 200 Beamte der Polizei zu Fuß, mit Streifenwagen und Motorrädern, mehr als 40 ehrenamtliche Helfer von Rotem Kreuz, Maltesern und Johannitern, mehr als 30 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Unfallmanager der Bahn, der Freiburger Verkehrs-AG und von BN Netze setzen sich in Bewegung. Koordiniert und geleitet wird ihr Einsatz im Stabsraum, der in der Integrierten Leitstelle an der Eschholzstraße eingerichtet wird. Kurz nach 19 Uhr besprechen Harry Hochuli, Einsatzleiter der Polizei, und Walter Rubsamen, Chef des Amtes für öffentliche Ordnung, wo welche Straßen gesperrt werden. Die Stadtverwaltung richtet ein Bürgertelefon ein, für alle, die Fragen haben.

Vor dem Eisstadion an der Ensisheimerstraße steht derweil Eismeister Uwe Seuß und wartet auf Philipp Golecki von der Feuerwehr: "Mich hat man angerufen." Gleich hier steht an der Außenwand eine Ammoniakanlage, ein Überdruckbehälter aus massivem Stahl – aber würde der standhalten, wenn die Bombe hochgeht? Im Laufe des Abends werden die Feuerwehrleute drei mit Sandsäcken gefüllte Container vor die Anlage wuchten. Umsonst, zum Glück.

Die Räumung
Gegen 21 Uhr sind die Einsatzkräfte der Polizei dabei, alle Häuser zu durchkämmen und an sämtlichen Haustüren zu klingeln. Streifenwagen fahren mit Lautsprecherdurchsagen durch die Straßen: "Bitte verlassen Sie Ihre Wohnungen zu Ihrer eigenen Sicherheit." Christof Czichon vom internen Sicherheitsdienst der Uniklinik hat gerade mit Kollegen den Turm an den Westarkaden überprüft. Sie sind von oben nach unten durchgegangen und haben tatsächlich noch eine Person angetroffen und heimgeschickt. Jetzt klebt Czichon einen Zettel an die Tür – "Evakuiert" – und schaltet die Alarmanlage ein. Die Uniklinik habe zwei Stationen im Hotel Stadt Freiburg, erzählt er, die Patienten werden gerade verlegt.

Im Wentzinger
Alle, die nicht wissen, wo sie warten sollen, gehen zu den Wentzinger-Schulen. Dort haben DRK, Malteser und Johanniter die Mensa aufgesperrt, es gibt Sprudel und bei Bedarf medizinische Versorgung. Rund 500 Menschen nehmen das Angebot gern wahr – sechs Mal mehr als kalkuliert. Kinder laufen durcheinander, Nachbarn begrüßen sich. Vor dem Eingang stehen Andrea Grögner und Gitte Peters, die mit dem Konzertchor der Pestalozzi-Schule aus München da sind – sie mussten das Hotel Stadt Freiburg verlassen. Am nächsten Tag singen sie beim Chorwettbewerb – aber an diesem außergewöhnlichen Abend stehen sie auf die Bühne in der Mensa und unterhalten die gestrandeten Freiburger. Großer Applaus.

Auch Christine Gehri und ihre Tochter Melanie-Michelle warten darauf, dass sie in ihre Wohnung in der Elsässer Straße zurückkönnen. Ihre Nachbarin Brunhilde Winzer wartet mit. Die Damen haben ein schönes Vesper dabei und machen das Beste aus der Situation. "Ich habe mich ganz arg bei der Polizei bedankt", sagt Brunhilde Winzer, alle nicken.

Die Entschärfung
Es hat Stunden gedauert, alle Gebäude zu evakuieren. Um 23 Uhr beginnen die Experten mit der Entschärfung der Bombe. In weitem Umkreis ist alles still, kein Auto fährt, keine Straßenbahn, kein Mensch ist auf der Straße. Es dauert 20 Minuten, dann gibt Bernd Gekeler vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Entwarnung: Die Bombe ist entschärft, alles ist gut gegangen. Aber "so einen schlechten Zünder habe ich noch nie gesehen", sagt der Feuerwerker später. Die Menschen dürfen zurück in ihre Wohnungen. Viele bedanken sich bei den Feuerwerkern, den Rettungskräften und der Polizei, persönlich und in den sozialen Medien: "Danke für die gute Arbeit und Respekt."

Ressort: Freiburg

Dossier: Bombe Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. Mai 2018: PDF-Version herunterladen

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