Es ist erst acht Uhr dreißig morgens, doch Bürgermeister Domenico Lucarno schreitet bereits auf dem Dorfplatz von Riace Superiore auf und ab. Wie ein Löwe.
Handy fest am Ohr, die linke Hand schwirrt durch die Luft. Als verknüpfe Lucarno unsichtbare Fäden. Das Digitalthermometer auf der Piazza des kalabrischen Dorfes zeigt bereits 28 Grad und im Schatten der mächtigen Zypresse einen Steinwurf hinter Lucarno wartet eine Traube Schulkinder auf ihren Bus. Endlich wieder. Lange musste Riaces Grundschule geschlossen bleiben. Es gab einfach keinen Nachwuchs. Denn es gab kaum noch Einwohner. Doch dann gab es: Domenico Lucarno.
Schreitet der 56-Jährige bis zum einen Ende der Piazza, schaut er von den Höhen seines Bergdorfes über silbern glänzende Olivenhaine und den unteren Dorfteil Riace Marina bis auf das tiefblaue Mittelmeer Richtung Horizont. Dreht er wieder sich um, fällt sein Blick auf das aus grobem Stein gebaute Rathaus hinter der Zypresse. Mittelmeer und Politik, das sind die Fixpunkte in Lucarnos Leben. Und die Grundzutaten seiner Utopie. Riace, so stellt der Bürgermeister es sich vor, ist ein Dorf für Flüchtlinge. Eine "Hoffnung. Eine Gelegenheit für die ...