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"Das ist halt echte Handarbeit"

  • Änne Seidel

  • Fr, 24. Februar 2012
    Freiburg

An der Universität Freiburg gibt es nicht nur mehr als 22 000 Studierende, sondern es machen dort auch rund 70 junge Menschen eine Berufsausbildung.

Laura Faller Foto: thomas kunz
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Was macht ein junger Mensch an der Universität Freiburg? Studieren natürlich, denken viele. Doch die Uni beschäftigt auch zahlreiche Auszubildende. Roman Stratz und Laura Faller sind zwei von ihnen. Der Feinwerkmechaniker und die angehende Kauffrau für Bürokommunikation erzählen, was man an der Uni außerhalb des Hörsaals lernen kann.

IM DIENSTE DER PHYSIK
Die Arbeit, die Roman Stratz während seiner Ausbildung am meisten Spaß gemacht hat, ist kleiner als ein Schuhkarton und steht heute in einer Glasvitrine vor der Mechanischen Werkstatt im Physikalischen Institut: ein zierlicher Stirling-Motor, also ein Motor, der durch das Erhitzen und Abkühlen von Gasen betrieben wird. Roman Stratz ist seit ein paar Tagen fertig ausgebildeter Feinwerkmechaniker. In der Werkstatt, in der er seinen Beruf erlernte, arbeiten etwa 18 Festangestellte und acht Azubis an Aufträgen von Forschern und Studenten, vorwiegend aus der Physik. In Kleinstarbeit produzieren sie vielfältige Geräte und Apparaturen, die später etwa für Experimente verwendet werden.

Vor der Ausbildung musste Roman Stratz in einem dreitägigen Praktikum beweisen, dass der Beruf ihm liegt. "Die Praktikanten stellen ein kleines Solitär-Spiel her, wobei sie die verschiedenen relevanten Arbeitsgänge ausprobieren", erklärt Meister Ralf Schlegel. Das heißt also: Fräsen, Feilen, Bohren und Drehen. Zu Beginn führen die Auszubildenden diese Tätigkeiten manuell aus, erst später lernen sie den Umgang mit den großen, programmierbaren Maschinen. Roman Stratz erinnert sich, dass ihm gerade das Feilen am Anfang etwas schwer fiel: "Das ist halt echte Handarbeit." Und auch an das lange Stehen vor den Maschinen musste er sich erst gewöhnen. Doch die Mühe lohnt sich: Wenn aus einem groben Metallklotz am Ende eine derart feine Apparatur entsteht, sei das schon faszinierend, erzählt der 20-Jährige.

Die dreieinhalbjährige Lehre an der Uni hat ihm gut gefallen, vor allem da die Arbeit in der mechanischen Werkstatt so vielfältig und abwechslungsreich ist. Für das nächste halbe Jahr wurde er von der Werkstatt übernommen, was danach kommt, ist derzeit noch offen. Auf lange Sicht möchte er sich auf jeden Fall weiterbilden, also entweder die Meisterprüfung absolvieren oder eine Technikerschule besuchen. Auch über ein Studium hat er schon nachgedacht, aber zuvor will er "erstmal etwas arbeiten".

DURCH VIELE ABTEILUNGEN
Laura Fallers Arbeitsplatz ist ein typisches Büro: große Schreibtische, Rechner, Neonlampen – und vor allem viel Papier. Sortiert in farbenfrohen Ordnern, füllt es die hohen Regale, stapelt sich lose in den Ablagen oder quillt in einer endlosen Schleife als Bon aus der Rechenmaschine hervor. Im Moment tippt die 20-Jährige an einem Brief für die Mieter der universitätseigenen Wohnungen. Sie ist im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation und absolviert gerade die zweite Station ihres Ausbildungsplans in der Abteilung "Stiftung und Vermögen / Steuern" im Rektorat am Fahnenbergplatz. Die Abteilung verwaltet den Besitz der Universität, also etwa Wohnungen, aber auch die Rebflächen, auf denen die Uni eigenen Wein anbaut. Die junge Auszubildende erstellt beispielsweise Mietverträge, verbucht Nebenkostenabrechnungen oder hilft beim Weinverkauf im Kollegiengebäude III.

In ihrer dreijährigen Ausbildung durchläuft Laura Faller verschiedene Abteilungen der Universitätsverwaltung. Zunächst war sie in der Unikasse tätig, in den kommenden Monaten wird sie unter anderem die Zentrale Studienberatung kennenlernen. Die Auszubildende betrachtet die häufigen Abteilungswechsel als klaren Vorteil, denn so "sieht man viel" und "weiß für später eher, in welche Richtung man gehen will". Während sich Laura Faller im Büroalltag die Praxis aneignet, erhält sie an der Berufsschule das theoretische Rüstzeug für ihre Arbeit: Neben Deutsch und Gemeinschaftskunde stehen Fächer wie Allgemeine Wirtschaftslehre, Rechnungswesen und Textverarbeitung auf dem Stundenplan.

An einem Ort ausgebildet zu werden, wo die meisten anderen studieren, stört Laura Faller nicht. Im Gegenteil: Ihr gefällt das junge und internationale Umfeld an der Universität. Für sie selbst kam ein Studium nach dem Abitur nicht in Frage, denn sie wollte praktisch arbeiten. Mit der Ausbildung ist sie sehr zufrieden: Da die Kollegen alles ausführlich erklären, meistert sie die neuen Aufgaben bislang ohne Probleme. Nur die Löschübung am Einführungstag, bei der sie einer brennenden Puppe eine Decke überstülpen sollte, war nicht ganz einfach: "Ich habe eigentlich total Angst vor Feuer", gesteht sie lachend.

AUSZUBILDENDE AN DER UNI

An der Universität Freiburg werden derzeit zirka 70 junge Menschen ausgebildet. Sieben davon schließen ihre Ausbildung in den nächsten Tagen erfolgreich ab. Die Auszubildenden verteilen sich auf folgende Berufe: Sieben Kaufleute für Bürokommunikation, vier EDV-Fachleute, drei Elektrogerätebauer, 15 Feinwerkmechanikerinnen und -mechaniker, 34 Chemielaborantinnen und -laboranten, vier Maschinenschlosser und drei Gärtnerinnen und Gärtner für Zierpflanzenbau. Insgesamt beschäftigt die Universität (ohne Uniklinikum) rund 6500 Angestellte. Ausschreibungen für freie Ausbildungsstellen an der Uni im Internet: http://www.uni-freiburg.de Homepage der Mechanischen Werkstatt: http://www.physik.uni-freiburg.de/~mechanik

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 24. Februar 2012: PDF-Version herunterladen

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