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Initiative "Uni für alle" unterstützt junge Menschen, die studieren wollen

  • Di, 24. November 2015
    Freiburg

Wer Ahmad Alfarkh vor der Uni sieht, hält ihn für einen Studenten. Doch seine Sorgen sind nicht die nächsten Prüfungen oder die schon wieder viel zu lange Schlange vor der Mensa. Er weiß nicht, ob er heute im Flüchtlingsheim Ruhe für seine Hausaufgaben findet, wie es seiner Familie geht und ob er überhaupt in Freiburg bleiben darf. Noch vor einem halben Jahr studierte der 19-Jährige in Damaskus, jetzt wartet er auf die Antwort, ob seine Zeugnisse in Deutschland anerkannt werden.

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Dunya Ballout begleitet und hilft dem Flüchtling Ahmad Al Farkh an der Freiburger Universität. Foto: Rita Eggstein
Dass er trotzdem Vorlesungen an der Uni Freiburg besuchen kann, liegt an der Initiative "Uni für alle". Rund 20 Studierende setzen sich seit Mai dafür ein, dass Flüchtlinge aller Nationalitäten an der Uni Gasthörer werden können. Die Besonderheit: Jeder Geflüchtete wird in einem Buddyprogramm von einem Studenten an die Hand genommen. Zusammen durchkämmen sie das Online-Kurssystem, suchen die Vorlesungsräume oder leihen Bücher aus der Bibliothek aus. "Manche Buddys gehen auch abends zusammen etwas trinken oder zum Unichor", so Franziska Pfab, die von Anfang an im Organisationsteam dabei ist: "Wir wollen ihnen die Uni und die Stadt näherbringen, aber darüber hinaus haben sich auch echte Freundschaften gebildet."

Ahmads Buddy-Partnerin heißt Dunya Ballout. Als die beiden über ihre geplante Wanderung im Schwarzwald und ihren Markt-Besuch reden und lachen, fällt es schwer zu glauben, dass sie sich erst drei Wochen kennen. Ahmad gefällt es sehr gut in Freiburg, seine Lieblingsplätze sind der Schlossberg und der Münstermarkt. Viel Freizeit hat er aber gar nicht: Bis mittags ist er in der Schule im Römerhof, acht Stunden in der Woche an der Uni, vier Stunden besucht er einen Deutschkurs an der Volkshochschule und vier Stunden einen anderen Deutschkurs, den Studenten anbieten. "Ich denke aber gar nicht so viel darüber nach, sondern ich mache einfach", sagt Ahmed. Im Römerhof können Flüchtlinge den Hauptschulabschluss nachholen. "Die Inhalte sind zu einfach", sagt Ahmad, "aber es hilft mir sehr für mein Deutsch." Auch durch Vorlesungen an der Uni möchte er seine Sprachkenntnisse verbessern, er besucht Dolmetscherkurse für Arabisch und Deutsch. Später möchte er ein technisches Fach studieren: "Luft- und Raumfahrttechnik wäre sein Traum, hat er mir verraten", sagt Dunya, "Ich weiß aber noch nicht, ob das möglich ist", rudert Ahmad zurück.

Ungefähr 10 000 studierfähige Flüchtlinge gibt es derzeit in Baden-Württemberg, so Juliane Besters-Dilger, Prorektorin an der Uni Freiburg. Gerade werde ein Programm für Einzelfallprüfungen entwickelt, das auch den Flüchtlingen Zugang zur Uni ermöglichen soll, die ihre Schulabschlusszeugnisse nicht mitgebracht haben. Falls Mittel des Bildungsministeriums kommen, kann sie sich vorstellen, an der Uni Kurse in Staatsbürgerkunde oder vorbereitende Fachkurse anzubieten: "Universitäten spielen eine wichtige Rolle für die Integration von Flüchtlingen. Wir haben Potential und auch Verantwortung." Die Universität schlug die Initiative der Studenten jetzt für den Sonderpreis für besonderes Engagement für Flüchtlinge vor, den das Wissenschaftsministerium am 2. Dezember vergibt.

Auch Franziska Pfab sieht das Gasthörerprogramm nur als einen Anfang: Sie und ihre Mitstreiter möchten Ideen einbringen, wie sich Hochschulen öffnen können. Sie wollen, dass auch die Geflüchteten selbst mehr einbezogen werden. Rechtlich sei das Gasthörerstudium kein Problem gewesen. Doch das Ziel der Gruppe war, dass die Flüchtlinge kostenlos Gasthörer werden können. "Dass die Gebühren erlassen werden, war bis kurz vor Semesterbeginn unklar", so Franziska Pfab. Prorektorin Besters-Dilger möchte sich dafür einsetzen, dass die Gasthörer-Gebühren für Flüchtlinge auch im Sommersemester erlassen werden. Die Uni habe aber kein Geld für Stipendien für das reguläre Studium. Studierende Flüchtlinge aus Krisengebieten können über die Uni Zuschüsse des Notfallfonds des Wissenschaftsministeriums beantragen.

Ahmad ist erst einmal froh, im Buddyprogramm zu sein. Fünf seiner Freunde interessieren sich auch dafür, können aber mitten im Semester nicht aufgenommen werden. Doch Lea Claßen und Jana Binde vom Organiationsteam kümmern sich darum, Ahmads Freunde in Deutschkursen unterzubringen, die einige Germanistikstudentinnen ehrenamtlich anbieten. Ahmad, der eine muntere Mischung aus deutsch und englisch spricht, sagt ein für ihn sehr wichtiges Wort auf arabisch "Shukran" – Danke.

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 24. November 2015: PDF-Version herunterladen

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