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Interview

Ismael Hares über den IS-Terror: "Wir müssen in die Moscheen gehen und dagegenhalten"

Joachim Röderer
  • Do, 28. Mai 2015, 08:53 Uhr
    Freiburg

Er ist Musiker, Produzent und Unternehmer – und er engagiert sich in der Arbeit mit Muslimen: Wie reagiert der Freiburger Ismael Hares darauf, dass ein IS-Attentäter aus seiner Stadt stammt?

Ismael Hares  | Foto: privat
Ismael Hares Foto: privat
Ein junger Mann ist offensichtlich in Freiburg angeworben worden, um für die Terrormiliz Islamischer Staat ein Selbstmordattentat im Irak auszuführen. Ismael Hares, 36, Moslem, geboren in Kabul, fordert im Interview mit Joachim Röderer mehr Prävention. Hares ist in Freiburg kommunalpolitisch engagiert, auch in der Arbeit mit jungen Muslimen.
BZ: Handlanger des Islamischen Staates sind wohl auch in Freiburg aktiv. Überrascht Sie das?
Hares: Nein, nicht wirklich. Freiburg ist nicht aus der Welt, hier leben 230 000 Einwohner. Der IS geht auch nach dem Prinzip der mathematisch großen Zahl vor. Wo viele Menschen sind, da positioniert er sich auch an den richtigen Ecken der Stadt. Es hat hier ja immer wieder die Stände der salafistischen Lies-Bewegung gegeben. Dass dort der Koran verteilt wird, ist nicht das Problem, genauso wenig, wie wenn der Talmud oder die Bibel verteilt wird. Das Problem sind allerdings die Gespräche, die an den Lies-Ständen geführt werden. Da wird dann gezielt versucht, die jungen Männer an der Ehre zu packen à la "So kann es doch nicht weitergehen".
BZ: Wer ist denn besonders empfänglich für die IS-Propaganda?
Hares: Bei den starken gefestigten Charakteren haben sie kaum eine Chance. Aber dann gibt es auch die, die sich ausgegrenzt fühlen, die labil sind, aus schwierigen Verhältnissen kommen – die bleiben im Sieb hängen. Und das merken die IS-Leute schnell. Die körperlich Kräftigeren werden an die Front geschickt. Die Schwächlicheren werden, gerade wenn auch noch geistige Defizite bestehen, oft für Selbstmordattentate eingesetzt. Aber es gibt eben auch solche Fälle wie die "Terror-Zwillinge" aus Nordrhein-Westfalen. Die stammen aus einer deutschen Mittelschichtfamilie und sind nun auch zu Attentätern geworden.
BZ: Was ist für junge Muslime oder Konvertiten der Reiz am IS?
Hares: Man muss sagen, der IS agiert sehr gerissen. Seine Propagandafilme im Netz sind teils aufwändig produziert wie Musikvideos und mit heroischer Musik und arabischen Versen unterlegt. Hinzu kommt, dass der IS bei den jungen Leute immer den Gerechtigkeitsgedanken anspricht. Da geht es um die Kritik am Kapitalismus, um die Konflikte im Nahen Osten, um Israel und die Rolle der USA, um die angebliche Unterdrückung der Muslime. Für alle, die einfache Antworten suchen, wird da vieles miteinander vermischt. Der IS droht zu einer Art Jugendkultur zu avancieren.
BZ: Was muss die Gesellschaft gegen diese Entwicklung tun, auch hier in Freiburg?
Hares: Wir müssen dagegenhalten! Wir müssen in die Moscheen gehen und gezielt Leute ansprechen. Und wir müssen uns viel genauer die verschiedenen radikalen Gruppen anschauen. Wir brauchen neue Programme, mehr Prävention. Es gibt viele junge Leute, die auf der Kippe stehen. Und wir müssen verhindern, dass verdächtige Personen so einfach über die Türkei nach Syrien und in den Irak ausreisen können. Es wird immer gefragt, was wir hier mit denen machen, die aus dem Kampfgebiet zurückkommen. Viel besser wäre es aber doch, wir würden sie erst gar nicht dorthin gehen lassen.

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Ressort: Freiburg

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