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BZ-Hautnah

Wie ein Zirkus-Tiertrainer mit vier sibirischen Tigern arbeitet

Frank Zimmermann
  • Sa, 22. September 2018
    Freiburg

Der „Circus Manuel Weisheit“ ist zurzeit in der Stadt, seine Attraktion sind vier sibirische Tiger. Wildtiere im Zirkus sind seit Jahren Gegenstand heftiger Debatten und Anlass für Protestaktionen von Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen. In Freiburg haben unbekannte Zirkusgegner jetzt wieder auf die Zirkusplakate „abgesagt“ geklebt. Auf Einladung der BZ bekamen nun 40 Leser, darunter viele Kinder, Einblick in die Arbeit von Tiertrainer Sascha Prehn.

Sascha Prehn beim Training in der Manege mit drei seiner vier sibirischen Tiger Saheb, Shiva, Jill und Bavati Foto: Thomas Kunz
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Wildtiere gehörten grundsätzlich in die freie Natur, der Auslauf in den Stallungen und Transportwagen sei viel zu gering, die ständigen Ortswechsel stressten die Tiere, sagen die Gegner exotischer Zirkustiere. Der Verhaltensforscher Immanuel Birmelin, der am Donnerstag bei "BZ-hautnah" als Experte Auskunft gab, vertritt eine andere Meinung: Den Tieren gehe es in der Regel gut im Zirkus.

Birmelin hat bei Transporten von Elefanten und Löwen das Stresshormon gemessen. Das Ergebnis: Der Hormonspiegel gehe nicht nach oben. Die Tiere, sagt der Verhaltensbiologe, seien im Zirkus aufgewachsen und nichts anderes gewöhnt. "Die Arbeit mit ihnen ist alles andere als Tierquälerei." Der "Circus Manuel Weisheit" mit mehr als 20 Tieren will Anschuldigungen mit Transparenz entgegentreten. "Wir schotten uns nicht ab und verstecken uns nicht", sagt Geschäftsführer Tim Thomsen.

"Was das für schöne Tiere sind", ruft eine Besucherin bei der Probe aus. In der Tat: Saheb, Shiva (beide zwölf Jahre alt), Jill (elf) und Bavati (sieben) sind stattliche Raubkatzen, schön und würdevoll thronen sie auf den Podesten in der umgitterten Manege. Doch sie können auch anders – gefährlicher – wirken. Etwa, wenn sie ihre Mäuler aufreißen, den Kopf schief legen, mit der Zunge übers Maul schlecken und sich auf ihre Hinterbeine stellen, so dass ihre imposante Statur zu sehen ist. Der eine oder andere der Tiger faucht zwischendurch. Dann sieht der Betrachter, worauf Thomsen zu Beginn der BZ-Veranstaltung in heiter-spaßigem Tonfall hingewiesen hat: "Nicht mit den Armen reinlangen. Auch wenn sie bei uns geboren und das gewöhnt sind, es sind immer noch Tiger." Ein Mädchen hat offenbar aber keine große Angst, als es seinem Papa zuruft: "Kann man die nicht streicheln?" Wenn die Tiger bedrohlich knurren, kommunizieren sie mit dem Trainer; "sie drücken einfach ihre Gefühle aus", sagt Birmelin.

"Das Knurren ist in Wirklichkeit keines, das sehen Sie am Gesichtsausdruck." In der Körperhaltung der Tiger sieht der Verhaltensforscher "keine Aggression". Der Mann, der die Raubkatzen am besten kennt und mit ihnen täglich arbeitet, ist Tiertrainer Sascha Prehn. Er kommt einem der Tiger ganz nah, umarmt seinen Kopf, gibt ihm ein zartes Küsschen – und er lässt eines der Tiere aus der Hand fressen. Für Verhaltensforscher Immanuel Birmelin sind das Zeichen "höchsten Vertrauens zwischen Tier und Mensch". Nicht jeder Zirkustrick sei mit jedem Tier machbar. Denn: "Jedes ist vom Charakter her total anders", sagt Prehn. Dass Tiger in freier Wildbahn Einzelgänger sind, findet der Tiertrainer kein Problem: "Man kann sie sehr gut vergesellschaften."

Mit Peitsche und Stock steht Sascha Prehn in der Manege. Dass Zirkusgegner von einem Prügelstock sprächen, hält Birmelin für "absolut dummes Zeug". Mit dem Stock wird die Richtung angedeutet – und auf die Spitze werden als Belohnung Fleischstückchen aufgespießt. Auch die Peitsche sei eine Hilfe, aber kein Schlaggerät. Prehn bewegt sich in der Manege sehr ruhig, die Tiere hat er stets im Auge, brüllen muss er nie. Verletzt worden sei er noch nie. Das Quartett gehorcht ihm – die Vier setzen sich, wenn sie sich setzen sollen, springen durch einen Reifen und von Podest zu Podest über ihren Trainer hinweg, wälzen sich genüsslich-entspannt im Sägemehl und setzen die Vorderpfoten auf ein Zeichen hin auf eine Stange. Das alles bedarf täglichen Trainings. "Das ist auch ganz wichtig für ihre geistige Fitness", sagt Birmelin.

Nach dem Training dürfen die BZ-Leser noch die Tiger füttern: Fleischstück auf einen Spieß und den dann einfach hinhalten. Die einen wagen sich näher ans Gitter, die anderen bleiben mit ausgestrecktem Arm auf Distanz. Und die Tiger rangeln sich um die Gunst der Fütternden.

Vorstellungen: Gelände der Messe Freiburg, bis 7. Oktober, Mittwoch und Donnerstag 17 Uhr, Freitag und Samstag 15 und 19 Uhr, Sonntag 15 Uhr. Tickets gibt es unter Tel. 0174/49 89 286 oder im Internet unter http://www.circus.manuel-weisheit.de

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 22. September 2018: PDF-Version herunterladen

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