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Kino

Comicverfilmung: "X-Men: Apokalypse"

  • Do, 19. Mai 2016, 00:00 Uhr
    Kino

Bryan Singer setzt nicht bloß auf Kampfspektakel. Der Regisseur beweist, dass sich großes Blockbuster-Entertainment und intellektuelle Unterfütterung nicht widersprechen.

Legt  Auschwitz in Schutt und Asche: Michael Fassbender als Magneto.  | Foto: dpa
Legt Auschwitz in Schutt und Asche: Michael Fassbender als Magneto. Foto: dpa
Im Universum der Superhelden-Comics gehörten die "X-Men" stets zu den politisch inspirierteren Genrewerken. Das Ringen der Mutanten um Identität und gesellschaftliche Anerkennung war eng mit der Historie des 20. Jahrhunderts verknüpft. Als allegorische Reflexion sinnierten die Filme über die Angst vor dem Andersartigen und die Folgen von Rassismus. So sind es die Erfahrungen des Konzentrationslagers, die Magneto als eine der Zentralfiguren zum verbitterten und kompromisslosen Verteidiger der Mutanten gemacht haben.

In der neuen Folge "X-Men: Apokalypse" von Bryan Singer (siehe Ticket-Interview) findet sich Magneto (Michael Fassbender) 40 Jahre nach dem Holocaust am Ort des Grauens wieder. Vor ihm liegen die Blöcke und Krematorien von Auschwitz, wo seine Eltern wie zahllose andere Mutanten ermordet wurden. Mit der Erinnerung kocht die Wut in ihm hoch und mithilfe seiner übernatürlichen Kräfte reißt er das ganze Konzentrationslager nieder. Auschwitz liegt in Schutt und Asche – ein starkes, unfassbares und sehr gewagtes Bild, das Singer hier als cineastische Fantasie entwirft, ähnlich wie das erfolgreiche Hitler-Attentat in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds". Aber es funktioniert, weil die Szene in die Komplexität der Figur eingebunden ist.

Denn Magnetos Zerstörungswut ist auch ein Akt des Vergessenwollens. Aber wer die Vergangenheit nicht (mehr) kennt, ist bekanntlich dazu verdammt, sie zu wiederholen – und darum geht es auch in "X-Men: Apokalypse". Denn Magneto, die große, tragische Figur im X-Men-Universum, verfällt selbst totalitären Machtfantasien und lässt sich von einem gottgleichen Führer unter Vertrag nehmen. Apokalypse (Oscar Isaac) nennt sich der Mächtigste aller Mutanten aus dem alten Ägypten, der nun nach fünftausendjährigem Koma wieder aufersteht.

Große Unterhaltung, intellektuell unterfüttert

Was er im Jahre 1983 vorfindet, gefällt dem antiken Despoten gar nicht: Nicht die Starken haben das Sagen in dieser Welt, sondern die Schwachen, die durch Gesetze geschützt werden und per Wahlrecht mitbestimmen. Ein radikaler Wertewandel kann hier nur – nomen est omen – durch eine fachgerechte Apokalypse herbeigeführt werden. "Ich werde euch befreien", sagt der selbsternannte Führer zu seinen Mutanten-Anhängern, und die Versuchung, die eigenen übernatürlichen Fähigkeiten endlich unkontrolliert einsetzen zu können, ist bei den Gedemütigten sehr groß.

Auf der anderen Seite des moralischen Spektrums steht natürlich Professor Charles Xavier (James McAvoy), der in seiner "Schule für Hochbegabte" für das friedliche Zusammenleben von Mutanten und Normalmenschen eintritt. Aber auch er sieht ein, dass man diesem Gegner mit Appeasement-Politik nicht beikommt. Er und seine Schüler müssen ihre Fähigkeiten kollektiv zur Anwendung bringen, um den Weltzerstörer zu besiegen.

Im Gegensatz zu den jüngsten multiheroischen Spektakeln "Batman vs Superman" und "First Avenger" wird hier das finale Kräftemessen zwischen Gut und Böse nicht allein im ermüdenden Gefechtsmodus ausgetragen, sondern vor allem als telepathischer und metaphorischer Kampf um die Herrschaft in den Köpfen der Menschen. Wieder beweist Singer, dass sich großes Blockbuster-Entertainment und intellektuelle Unterfütterung nicht widersprechen. Ob Holocaust, Kalter Krieg, atomares Wettrüsten oder Nahostkonflikt – immer wieder eröffnet der Film Assoziationsspielräume, in denen das Gesehene ins Außerfilmische weitergedacht werden kann, ohne die Unterhaltungsoberfläche zu beschädigen.

"X-Men: Apokalypse" von Bryan Singer läuft flächendeckend. (Ab 12)

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 19. Mai 2016: PDF-Version herunterladen

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