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Kino

Eine Oscar-Verleihung mit einem unglaublichen Finale

Gabriele Schoder
  • Di, 28. Februar 2017
    Kino

Die großen Sieger sind „La La Land“ und „Moonlight“.

„And the winner is...“:  G...eatty den falschen Sieger verkünden.    | Foto: AFP
„And the winner is...“: Gleich werden Faye Dunaway und Warren Beatty den falschen Sieger verkünden. Foto: AFP
Die deutschen Hoffnungen blieben unerfüllt bei der Verleihung der 89. Academy Awards: Über den Au
slands-Oscar konnte sich nicht die gebürtige Karlsruherin Maren Ade ("Toni Erdmann") freuen, sondern der Iraner Asghar Farhadi ("The Salesman"), über den Oscar für Filmmusik nicht Hauschka ("Lion"), sondern Justin Hurwitz ("La La Land"), über den für den besten Dokumentar-Kurzfilm nicht Marcel Mettelsiefen ("Das Schicksal der Kinder von Aleppo"), sondern Orlando von Einsiedel ("The White Helmets").

Die größte Enttäuschung freilich dürfte am Ende das Produktionsteam von "La La Land" erlebt haben – und das, obwohl ihr Musical da bereits sechs Oscars abgeräumt hatte: Regie (Damien Chazelle) Hauptdarstellerin (Emma Stone), Kamera, Musik, Song, Szenenbild. Aber es stand ja noch der Hauptpreis aus, der für den besten Film, den Faye Dunaway und Warren Beatty überreichen durften. Die beiden, die vor exakt 50 Jahren als Gaunerpärchen Bonnie & Clyde Filmgeschichte geschrieben haben, waren sichtlich ergriffen von der Ehre, das Finale der Gala bestreiten zu dürfen; er öffnete den roten Umschlag, zog die Karte heraus, hob die Augenbraue, stutzte, zögerte und reichte sie dann an Dunaway weiter. "And the Oscar goes to … La La Land!"

Jubel, Gekreisch. Fred Berger, Jordan Horowitz und Marc Platt enterten die Bühne, holten auch die anderen Oscar-Gewinner des Films nochmal dazu, alles strahlte, die Produzenten hatten bereits mit Dankesworten begonnen, da wurde es unruhig: Nein, "Moonlight" ist der Sieger, kein Scherz! Jetzt kamen auch Adele Romanski, Dede Gardner und Jeremy Kleiner nach vorne, dazu die "Moonlight"-Preisträger Mahershala Ali (beste männliche Nebenrolle) sowie Regisseur Barry Jenkins und Dramatiker Tarell Alvin McCraney, die den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch bekommen hatten.

Die einen gaben ihre Goldjungen wieder her, die anderen kriegten sie in die Hand gedrückt und hielten hastig ihre Dankesreden, die Bühne barst – und Bonnie & Clyde guckten bedröppelt ob der dümmsten Rolle ihres Lebens. Ganz am Ende bekam die Oscar-Nacht doch noch ihre Sensation, als viele Fernsehzuschauer bereits weggeschlummert sein dürften angesichts einer dreieinhalbstündigen Gala, die längst nicht so politisch brisant war wie gedacht (siehe auch Seite 4). Die Mega-Panne wird den 89. Academy Awards einen Platz in den Annalen Hollywoods sichern – aber wie kam sie zustande? Es gibt zu jeder der 24 Oscar-Kategorien zwei identische Umschläge, die man rechts und links der Bühne bereithält und den Präsentatoren aushändigt – je nachdem, von welcher Seite die auftreten. Und Beatty hat man halt versehentlich nochmal den Umschlag für die beste weibliche Hauptrolle gegeben...

Selbstbewusstsein statt

politischer Abrechnung

Im allgemeinen Chaos bekannte sich Moderator Jimmy Kimmel vorsorglich schuldig: "Ich wusste doch, dass ich die Gala versauen würde." Das war einer der charmantesten Sätze des 49-jährigen Comedians und Late-Night-Talkers, der ansonsten nicht übermäßig Esprit versprühte. Seine mit Spannung erwartete Abrechnung mit der Politik Donald Trumps fiel vergleichsweise zahm aus, und bis auf den Iraner Farhadi, der aus Protest nicht in die USA gereist war und seine Dankesrede verlesen ließ, waren auch von den Preisträgern nicht viele klare Worte zu hören. Dafür legte Hollywood ein starkes künstlerisches Selbstbewusstsein an den Tag, was unterm Strich allemal mehr sticht als verbissenes Trump-Bashing. Schon optisch zeigte die Filmbranche, dass sie auf Diversity setzt, auf Vielschichtigkeit: So viele Schnitte, so viele farbige Abendkleider, rote, grüne, blaue, haben die Strenge in Schwarz, Weiß, Gold und Silber lange nicht mehr aufgelockert, und bis auf ein paar bauchnabeltiefe Dekolletees gab es keine peinlichen Roben.

Die Oscar-Nacht ist ja nicht zuletzt das prunkvolle Jahrestreffen der Traumfabrik, und diesmal wurde das Familienfest mit allerlei bunten Süßigkeiten gefeiert, die – Augen zu, Mund auf – an kleinen Schirmchen von der Decke segelten. Und mit unerwartetem Gästen: Ein Bus voll L.A.-Touristen wurde ins Dolby Theatre gebracht, eine Überraschung für beide Seiten. Die Normalsterblichen waren perplex, schüttelten Hände und hielten den historischen Moment auf den Smartphones fest, so richtig aus dem Häuschen aber waren die Stars – als hätten sie schon lange keine echten Menschen mehr gesehen.

Dabei hat die Jury gerade in diesem Jahr gezeigt, dass die Filmindustrie die Welt sehr wohl im Blick hat. Das Musical "La La Land" um eine Schauspielerin und einen Jazzmusiker in Los Angeles mag als nostalgische Romanze geschmäht werden, aber es ist ästhetisch einfach unwiderstehlich. Casey Affleck und Mahershala Ali wurden für ihr Rollen in einer Familientragödie und einem Sozialdrama ausgezeichnet, Viola Davis für ihre Rolle als afroamerikanische Hausfrau in den 50er Jahren. Was sie in ihrer Dankesrede sagte – dass gutes Kino vom Leben, Lieben und Scheitern erzähle, davon, was es bedeutet, ein Mensch zu sein –, das trifft in besonderer Form auf "Moonlight" zu, der Geschichte eines schwulen schwarzen Jugendlichen aus prekären Verhältnissen. Umso erfreulicher, dass dieser Film der Sieger des Abends wurde. Und dass er sehr bald in die deutschen Kinos kommt: am 9. März.

Die Preise

Die Preise werden in 24 Kategorien vergeben – hier die Wichtigsten:
Bester Film: "Moonlight" (Regie: Barry Jenkins); Regie: Damien Chazelle für "La La Land"; Hauptdarsteller: Casey Affleck für "Manchester by the Sea"; Hauptdarstellerin: Emma Stone für "La La Land"; Nebendarstellerin: Viola Davis für "Fences"; Nebendarsteller: Mahershala Ali für "Moonlight"; Nicht-englischsprachiger Film: "The Salesman" (Regie: Asghar Farhadi); Kamera: Linus Sandgren für "La La Land"; Filmmusik: "La La Land" von Justin Hurwitz; Filmsong: "City of Stars" aus "La La Land" von Justin Hurwitz, Benj Pasek und Justin Paul; Originaldrehbuch: Kenneth Lonergan für "Manchester by the See"; Adaptiertes Drehbuch: Barry Jenkins, Tarell Alvin McCraney für "Moonlight".

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 28. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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