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UNTERM STRICH: Wer hat Angst vor Sophia?

Michael Wrase
  • Mo, 30. Oktober 2017
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Saudi-Arabien bürgert eine unverschleierte Roboterfrau ein / Von Michael Wrase.

"Ich fühle mich geehrt und bin stolz auf diese Auszeichnung", sagte Sophia artig, als ihr in Riad die saudische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Sophia, die Audrey Hepburn ähneln soll, ist kein Mensch, sondern eine von einem Hongkonger Unternehmen entwickelte, lebensechte Roboterfrau. Unverschleiert zeigte sie sich dem meist männlichen Publikum, das zur Vorstellung des 500 Milliarden Dollar teuren Projektes "Neom" nach Saudi-Arabien geladen worden war. In der Megastadt am Roten Meer werde es 2030 mehr Roboter als Menschen geben, behauptet der Kronprinz Mohammed bin Salman.

Sophia war offenbar der Prototyp. Doch warum wurde ihr gleich die Staatsbürgerschaft verliehen und damit volle Bürgerrechte eingeräumt? Wollte der ehrgeizige saudische Herrscher etwa signalisieren, dass Frauen zukünftig, also in spätestens 13 Jahren, gleichberechtigt sein werden?

Mohammed bin Salman, 31 Jahre, hat Visionen und ist nicht beratungsresistent. So haben ihn die Leute von McKinsey überzeugt, die Wirtschaft seines Landes müsse grundlegend umgebaut werden, um irgendwann unabhängig vom Öl zu sein. Doch begreift er auch, dass sich die überwiegend erzkonservative Gesellschaft nicht auf Knopfdruck umprogrammieren lässt? Fromme saudische Muslime betrachten die unverschleierte Sophia vermutlich als Werkzeug des Teufels. Bereits die für Mitte nächsten Jahres geplante Aufhebung des Fahrverbotes für Frauen hatte massiven Unmut ausgelöst.

Doch der Kronprinz, so scheint es, lässt sich nicht beirren. Schon nächstes Jahr sollen die Bauarbeiten für die Megastadt beginnen. Und Angst vor Roboterfrauen bräuchten die Saudis wirklich nicht zu haben, erklärte Sophia. Mit ihnen als Begleiterinnen hätten alte Menschen mehr Gesellschaft und autistische Kinder geduldige Lehrer, behauptete sie. Investoren aus aller Welt seien begeistert gewesen, jubelte die saudische Staatspresse, für die (noch) keine Roboter schreiben. Die Medienschaffenden im Königreich wissen auch so, was von ihnen erwartet wird.

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