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Unbedingt anpassen

Ursula Thomas-Stein
  • Di, 29. April 2014
    Literatur

Erin Jade Lange lässt in "Butter" einen amerikanischen Antihelden zu Wort kommen.

Es geht um einen 16-Jährigen an einer Highschool in Arizona – sein Spitzname ist "Butter". Weil er sein Saxofon so butterweich spielt oder weil er über 190 Kilo wiegt? Beides, denn er spielt und isst schon lange – hingebungsvoll. Außerdem hat sich Butter in "die wunderbare süße sexy Anna" verliebt. Tagsüber himmelt er sie in der Aufsatzklasse an, abends chattet er mit ihr als charmanter, begehrenswerter "JR" auf einer Plattform, die kein Foto verlangt.

Doch Anna drängt auf ein Treffen im echten Leben und langsam begreift Butter, dass es Jahre dauern würde, bis er ihr unter die Augen treten könnte. Aber da hat er sich schon für Silvester mit ihr verabredet – in vier Wochen. Butter ist verzweifelt. Per Internet kündigt er an: "Ihr glaubt, ich esse viel? Das ist noch gar nichts. Geht mal am 31. Dezember online, wenn ich die Live-Übertragung meiner Henkersmahlzeit ins Netz stelle." Butter hat sein isoliertes Leben sowieso satt. Alle sollen zuschauen, wie er sich zu Tode frisst. Denn sie tun es ohnehin jeden Tag: In der Schule, wo er in der Cafeteria beobachtet wird, oder zu Hause, wo ihn die Mutter summend bekocht und sein Vater wortlos ignoriert.

Die Geschichte spielt in Scottsdale – tatsächlich einer der exklusivsten Orte in den USA. Aber auch hier gilt: Wer dazugehören will, muss sich anpassen. Die Mädchen in Butters Klasse sind zum Beispiel alle blond – ob echt oder gefärbt; die Jungs sind sportlich und gelangweilt. Butters "Live-Feed" – seine makabre "Live-Einspeisung" – verspricht monstermäßig gute Unterhaltung. Ein Mitschüler, für den er vorher Luft war, bedankt sich nach der Suizid-Ankündigung bei ihm. Warum? "Dafür, dass du das Leben interessant machst", ist die ehrliche Antwort. Jetzt sitzt Butter bei den Coolen in der Mensa, geht mit ihnen auf Partys und nimmt nebenbei ab. Aber alle fragen sich – wird er "es" tun?

Butter erzählt gefährlich gut: offen und mit einer guten Portion Galgenhumor analysiert er sein Umfeld und sich selbst. Auch seine alltäglichen Nöte und Peinlichkeiten als stark übergewichtiger Teenager werden lebendig: Parken auf dem Behindertenparkplatz der Schule, XXXL-Klamotten mit der Mutter shoppen und Diabetes Typ II. Die Idee zu der Geschichte hatte Erin Jade Lange, eine TV-Redakteurin aus Phoenix, nachdem sie jahrelang über Fettsucht bei Kindern, Suizide von Jugendlichen und Internet-Mobbing berichtete. "Ich glaube, Butters Erfahrung ist allgemeingültig", sagt sie im Interview mit der Blog-Seite "Teen Writers Bloc", New York. "Wenn wir mit zu dünn oder zu arm oder etwas anderem ersetzen, was einen Teenager zur Zielscheibe machen kann, dann ist Butters Story nicht so verschieden von anderen." Mit ihrem ersten Roman ist Lange eine aufregende Geschichte um einen Jungen gelungen, der sich dank "Deadline" weiter entwickelt, während andere nur zuschauen – in der Mesa oder auf WhatsApp.

– Erin Jade Lange: Butter. Roman. Aus dem Amerikanischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2014. 336 Seiten, 8,99 Euro. Ab 12.

Ressort: Literatur

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 29. April 2014: PDF-Version herunterladen

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