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Mission Integration

  • Di, 25. Juni 2019
    Literatur & Vorträge

Drei Romane für Kinder erzählen über Begegnungen, Annäherungen und Freundschaften zwischen unterschiedlichen Kulturen.

Während die Erwachsenen seit 2015 erhitzte Dauerdiskussionen um Flüchtlingspolitik und Integration führen, ist die Integration für viele Kinder in der Schule oder im Sportverein längst gelebter Alltag geworden. Kein Wunder also, dass ihre geflüchteten Altersgenossen nun auch in der Kinderliteratur angekommen sind: Drei Romane, die ebenso sensibel wie turbulent von Begegnungen, Annäherungen und Freundschaften erzählen.

"Forschungsgruppe Erbsensuppe"
In "Forschungsgruppe Erbsensuppe" verknüpft die Kinderbuchautorin und Diplompsychologin Rieke Patwardhan erstaunlich leichtfüßig zwei unterschiedliche Fluchtbiografien mit einer Detektivgeschichte. Alles beginnt damit, dass der schüchterne Ich-Erzähler Nils von seiner Lehrerin neben die ungestüme und zappelige Evi gesetzt wird, die sofort mit ihm eine Bande gründen will. Da kommt die neue syrische Mitschülerin gerade recht: Beherzt stürzt sich Evi in die Mission Integration und schleppt Lina mit zu Nils Großeltern, wo sie mit "Superlabertechnik" statt "Lahme-Enten-Deutsch", Kniffelspielen und gemeinsamen Mittagessen erstaunliche Erfolge erzielt. Nicht nur lernt Lina sehr schnell die Sprache, auch ihre Scheu samt grimmiger Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen verschwindet. Als Nils’ Großmutter immer eigenartiger wird, sind die drei längst ein Team: Warum kocht Oma plötzlich nicht mehr, sondern verbarrikadiert sich stundenlang im Wohnzimmer, um Nachrichten zu gucken? Warum bunkert sie riesige Mengen von Erbsensuppendosen in der Wohnung und packt voluminöse Notfallkoffer mit Kochtöpfen, Decken, Pässen und Fotoalben, wo sie doch gar nicht verreisen will? Im Wettlauf gegen die Klassenbande "22 Fragezeichen" schnüffeln Nils, Evi und Lina los – und kommen Omas ostpreußischem Flucht-Trauma auf die Spur. Ausdrucksstarke Charaktere, lebendige Dialoge, dazu eine stellenweise sehr lustige, vor allem aber spannende Geschichte – ein Buch, das mit viel Empathie den Bogen zwischen den Opfern von vergangenen und aktuellen Kriegen spannt.

"Ein Indianer wie du und ich"
Fußballspielen, raufen, schreien – das ist nichts für den Außenseiter Boaz in Erna Sassens flügelzartem Freundschaftsroman "Ein Indianer wie du und ich". Stattdessen erfindet der eigenwillige und verträumte Junge Freunde für seine Eltern und spielt allein in den Dünen. Denn Boaz mag die Stille – genauso wie seine neue Mitschülerin Aisha, ein echtes Indianermädchen, mit der er sofort auf Büffeljagd gehen würde: Wunderschön findet er ihre rabenschwarzen Haare und ihre Rehaugen, ohne Worte verstehen sich die beiden bei ihrem gemeinsamen Indianerprojekt im Werkunterricht.

Ihre dort entstandenen Bilder setzt der Illustrator Martijn van der Linden mit ausdrucksvollen Illustrationen in Schwarz-weiß-rot in Szene, dazwischen finden sich kleine Kästen mit interessanten Infos über Sioux und Mayas. Dabei ist Sassen immer nah an ihren Protagonisten: Als sich Boaz wegen Aisha weigert, eine Klasse zu überspringen, gibt es Zoff. Er läuft "wütend wie ein verwundetes Bison mit einem Speer im Rücken" von zu Hause weg. Seine Nacht in den Dünen mit Kälte, Angst und Hunger ändert vieles: Während gegen die Fenster von Aishas Flüchtlingsunterkunft Steine fliegen, ist Boaz wie ein echter Indianer bereit, für seine Freundschaft zu kämpfen. Dass Aisha gar keine Indianerin ist, sondern aus Syrien kommt, spielt da längst keine Rolle mehr.

"Unterwegs mit Kaninchen"

Ein verrücktes Roadmovie von Berlin nach Freiburg ist "Unterwegs mit Kaninchen", mit viel Sprachwitz vom Kaninchen Maikel selbst erzählt. Das ist der beste Freund von Andrea, der seit dem Auszug von Mama am liebsten stundenlang in einem Pappkarton liegt. Doch dann schleppt sein Vater die gleichaltrige Fidaa und deren Mutter in die Wohnung. Aus ist’s mit dem Frieden: Ständig knallen nun Fidaas Taekwando-Tritte gegen die Zimmerwand, dazu ist die gewitzte Syrerin extrem unfreundlich. Als sie Maikel aus Versehen fallen lässt und er eingeschläfert werden soll, reicht es Andrea: Mit dem Kaninchen in der Kühlbox macht er sich mitten in der Nacht auf den Weg in den Schwarzwald, wo seine Mutter als Heilerin lebt. Zum Glück ist Fidaa am Start und zum Glück treffen die beiden auf Petra mit ihrem Monster-Truck. Eine tolle Geschichte über Vorurteile, Mut und Solidarität.

Rieke Patwardhan, Regina Kehn: Forschungsgruppe Erbsensuppe. Roman. Knesebeck Verlag, München 2019. 144 Seiten, 13 Euro. Ab 8.
Erna Sassen, Martijn van der Linden: Ein Indianer wie du und ich. Roman. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019. 125 Seiten, 16 Euro. Ab 9.
Benjamin Tienti, Anke Kuhl: Unterwegs mit Kaninchen. Roman. Dressler Verlag, Hamburg 2019. 208 Seiten, 13 Euro. Ab 10.

Ressort: Literatur & Vorträge

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 25. Juni 2019: PDF-Version herunterladen

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