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Abtreibungsgesetze entzweien die USA

Frank Herrmann

Von

Sa, 18. Mai 2019

Ausland

Politiker und Prominente kritisieren die strikten Regeln in Bundesstaaten wie Alabama.

Protest gegen scharfe Abtreibungsgeset...in vor dem Georgia-Capitol in Atlanta   | Foto: John Amis (AFP)
Protest gegen scharfe Abtreibungsgesetze: Eine Aktivistin vor dem Georgia-Capitol in Atlanta Foto: John Amis (AFP)
WASHINGTON. Der republikanische Minderheitsführer im US-Abgeordnetenhaus, Kevin McCarthy, hat das neue Abtreibungsgesetz des Bundesstaates Alabama als zu strikt kritisiert. Das am Mittwoch von der ebenfalls republikanischen Gouverneurin Alabamas unterzeichnete Gesetz gilt in Sachen Abtreibung als das derzeit restriktivste in den USA. Auch immer mehr Prominente kritisieren die geplanten, strikten Abtreibungsgesetze in mehreren US-Bundesstaaten.

Es kommt nicht oft vor, dass der Fernsehprediger Pat Robertson einen Vorstoß gegen Abtreibungen für zu radikal hält. Genau das ist nun passiert. "Alabama ist zu weit gegangen", kritisiert der evangelikale Pfarrer, der vor drei Jahrzehnten Präsident der USA werden wollte. "Die Paragrafen sind zu extrem." Kay Ivey, die Gouverneurin des südlichen Bundesstaats, hatte ein Gesetz unterschrieben, das alles in den Schatten stellt, was in den USA bislang an Restriktionen beschlossen wurde. Schwangerschaftsabbrüche gestattet es nur noch, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist. Nicht einmal bei Vergewaltigung oder Inzest lässt es sie zu. Ärzte, die dennoch einen Eingriff vornehmen, müssen mit bis zu 99 Jahren Haft rechnen. Die Bürger Alabamas, sagte Ivey, als sie ihre Unterschrift unter das Papier setzte, glaubten aus tiefster Überzeugung, dass jedes einzelne Leben ein kostbares Gottesgeschenk sei.

Mit 25 zu 6 Stimmen hatte der Senat Alabamas, eindeutig von den Republikanern beherrscht, die Novelle passieren lassen. Und es waren ausschließlich Männer, die ihr ihren Segen gaben. Schon das lässt die wenigen Frauen der Kammer von einer Macho-Sicht sprechen, die einfach ausblende, wie es im wahren Leben zugehe. "Auch in Zukunft wird es Leute geben, die eine Schwangerschaft abbrechen. Das Problem ist, dass es viel gefährlicher wird", prophezeit Linda Coleman-Madison, eine demokratische Senatorin. An der Lebensrealität ändere sich nichts. Nur landeten Frauen, denen das Geld fehle, um eine Klinik im liberaleren Norden aufzusuchen, dann wieder bei Pfuschern in dunklen Gassen oder feuchten Kellern.

Ein kultureller Riss geht durch das Land

Auch wenn Alabama weiter geht als irgendein anderer Staat, so steht es doch bei weitem nicht allein mit seinem Kurs. Erst vor wenigen Tagen hat Georgia ein sogenanntes Herzschlag-Gesetz beschlossen. Es untersagt Abtreibungen nach der sechsten Woche einer Schwangerschaft, sobald sich bei einem Embryo ein Herzschlag feststellen lässt. Da Frauen in dieser Phase oft noch nicht wissen, dass sie schwanger sind, läuft es auf ein komplettes Verbot hinaus. Kentucky, Mississippi und Ohio haben zuletzt ähnliche Regeln erlassen. Mit Ausnahme Ohios liegen sie alle im Süden, im Bible Belt, dem Bibelgürtel der religiösen Rechten. Im Nordosten dagegen geht der Trend in die andere Richtung. In Vermont etwa denken Abgeordnete darüber nach, das Recht auf Abtreibung explizit im Grundgesetz zu verankern. Der kulturelle Riss geht quer durchs Land, der Graben, der New York, Massachusetts oder Kalifornien ohnehin schon von Alabama, Mississippi oder Louisiana trennt, könnte noch breiter werden.

Natürlich ist das nicht der Grund, warum ein Geistlicher wie Robertson den Vorstoß Alabamas für überzogen hält. Robertson fürchtet vielmehr, die drakonischen Bestimmungen könnten vom nächsten Gericht abgeschmettert werden und damit nie in Kraft treten, während eine abgemilderte Variante durchaus Erfolgschancen hätte. Genau das sehen die Initiatoren anders: Es ist gerade ihre Absicht, Widerspruch zu provozieren, ihre Gegner zu Klagen zu reizen, um auf dem Weg durch die Instanzen schließlich vorm Obersten Gerichtshof in Washington zu landen. Dort, so ihr Kalkül, soll eine – neuerdings klare – konservative Mehrheit über Grundsätzliches entscheiden.

Sie soll Roe v. Wade kippen, einen juristischen Meilenstein aus dem Jahr 1973. Indem der Supreme Court Schwangerschaftsabbrüche dem Recht auf Privatsphäre zuordnete, nahm er ihnen das Kriminelle. 46 Jahre danach hofft das konservative Amerika auf eine Kehrtwende, zumal sich die Kräftebalance in der Neunerrunde der Verfassungsrichter zu seinen Gunsten verändert hat.

Ressort: Ausland

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 18. Mai 2019:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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