Wer sich im Moskau von heute umhört, trifft auf einen Mix aus Wahrheit und Lüge, Propaganda und Gegenpropaganda. Und wer in Russlands Hauptstadt genau die Orte aufsucht, wo Meinung entsteht und wo Meinung gemessen wird, macht eine erschreckende Erfahrung.
Der Dritte Weltkrieg hat schon begonnen – glaubt man dem Russlandexperten Peter Pomeranzew. Er wird nicht mit den Panzern und Interkontinentalraketen geführt, die am 9. Mai, dem Gedenktag des Großen Vaterländischen Krieges, über den Roten Platz gedonnert sind und den Gestank von verbranntem Benzin und zu heiß gewordenen Reifen verströmt haben. Dieser neue Krieg hat subtilere Waffen und vereinnahmt geschickt die Ausdrucksformen des Gegners.
Die Maiparade unter blauem Himmel schafft Volksfeststimmung in der Stadt. Fein gekleidete Familien posieren für die Kameras, schon die Allerkleinsten tragen als Reminiszenz an die tapferen Soldaten der siegreichen Roten Armee grüne Käppis auf dem Kopf. Auf den Sepiafotos, die viele in die Höhe halten, sollen im Krieg gefallene Angehörige zu sehen sein. In ...