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Kein Abschied von Atomwaffen

André Anwar
  • & epd

  • Di, 19. Juni 2018
    Ausland

Friedensforscher aus Schweden legen ihren Jahresbericht vor / Russland und USA wollen ihre Arsenale modernisieren.

Teststart einer russischen Nuklearwaffe  | Foto: dpa
Teststart einer russischen Nuklearwaffe Foto: dpa
STOCKHOLM. Die atomare Abrüstung in den USA und Russland schreitet nur langsam voran. Gleichzeitig investieren beide Länder viel in die Modernisierung ihrer Atomwaffensysteme. Das ergibt der Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri.

Eine atomwaffenfreie Welt bleibt demnach weiterhin ein ferner Traum. Nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 schien sie zwar zum Greifen nahe. Doch fast drei Jahrzehnte später hat sich den Angaben der schwedischen Friedensforscher zufolge noch immer wenig getan. Laut dem am Montag von Sipri veröffentlichten Jahresbericht zur Entwicklung der weltweiten Atomwaffen für 2018 gibt es auf der Welt kein Land, das sich in einer "vorhersehbaren Zukunft" von seinen Atomwaffen verabschieden möchte.

Anfang 2018 hatten demnach alle Atommächte zusammen vermutlich 14 465 nukleare Sprengköpfe. Das seien immerhin 470 Stück weniger als Anfang 2017 und 930 Stück weniger als vor zwei Jahren. Und immerhin: Mitten im Kalten Krieg 1985 wurde die Anzahl der weltweiten Atomwaffen auf über 60 000 Stück geschätzt.

Sowohl die USA als auch Russland wollen aber auch heute an Atomwaffen als wesentliche Bestandteile ihrer militärischen Schlagfähigkeit festhalten. Zusammen verfügen Moskau und Washington über 92 Prozent aller Atomwaffen weltweit (91 Prozent im Jahr 2017). Die USA hatten Anfang 2018 demnach 6450 Sprengköpfe (350 weniger als im Vorjahr), von denen 1750 direkt abfeuerbar sind. Russland hatte 6850 Sprengköpfe (150 weniger), wovon 1600 direkt eingesetzt werden könnten. Die restlichen acht Prozent aller weltweiten Atomwaffen entfallen auf Großbritannien (unverändert zum Vorjahr 215), Frankreich (unverändert 300), China (270, plus 10 zum Vorjahr), Indien (130 bis 140, vermutlich plus 10), Pakistan (140 bis 150 vermutlich plus 10), Israel (unverändert 80) und Nordkorea (zwischen 10 und 20).

Laut Sipri hat Nordkorea seine Kapazitäten zur Nuklearwaffen-Herstellung vergangenes Jahr technisch weiter entwickelt. Bei dem als "historisch" bezeichneten Treffen mit US-Präsident Donald Trump am 12. Juni in Singapur hatte Machthaber Kim Jong-un sich grundsätzlich zu einer atomaren Abrüstung bereit erklärt. Für Fachleute ist die vage gehaltene Erklärung aber lediglich der Beginn eines langen Prozesses.

Der weltweite Rückgang im Jahr 2018 sei vor allem darauf zurückzuführen, dass Russland und die USA ihre Arsenale nach Unterzeichnung des bilateralen Abrüstungsabkommens "New Start" 2010 weiter reduzierten. Allerdings setzten beide Länder langfristig auf die Strategie, die Bestände von Sprengköpfen sowie die Systeme für Raketen- und Flugzeugträger und Produktionsanlagen zu modernisieren. Sipri warnt vor "extensiven und teuren nuklearen Modernisierungsprogrammen". Washington will bis 2026 etwa 400 Milliarden Dollar investieren. Nach Informationen des US-Verteidigungsministeriums vom Februar behält sich das Land vor, auch neue Nuklearwaffen zu entwickeln. Andere Atommächte wie Indien, Pakistan und China seien auch dabei, aufzustocken und neuere Kernwaffen zu entwickeln, erklärte das Institut.

Sipri

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (Sipri) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut für den weltweiten Handel mit Waffen. Es besteht seit 1966 und wurde damals zum 150. Jahrestag ununterbrochenen Friedens auf schwedischem Boden gegründet. Seitdem wird es vom Parlament finanziert und ist aus einer internationalen Gruppe aus Forschern zusammengesetzt. Neben Zahlen zu Atomwaffen veröffentlicht Sipri jährlich auch Daten zur Entwicklung des konventionellen internationalen Waffenhandels.

Ressort: Ausland

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