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Soll es einen harten Brexit geben?

Thomas Fricker
  • Mi, 29. März 2017
    Ausland

Großbritannien will an diesem Mittwoch den Antrag auf Ausstieg aus der EU einreichen / Mit welcher Strategie die Gemeinschaft darüber verhandeln soll, ist strittig.

Foto: dpa
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Dieses vorweg: Das Allerbeste wäre kein Brexit gewesen. Leider haben die Briten aber vergangenen Juni in einer Volksabstimmung für den Ausstieg aus der Europäischen Union gestimmt. Es offenbarte ein merkwürdiges Demokratieverständnis, würde man diese Entscheidung nicht respektieren.

Hauptargument der Brexit-Befürworter war und ist, es müsse Schluss damit sein, dass Fremde (gemeint ist: in Brüssel) darüber bestimmten, wer nach Großbritannien einreisen, dort leben und arbeiten dürfe. Das spielte an auf den EU-Streit über die Aufnahme von Flüchtlingen, aber zielte direkt auf die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU, jenes Herzstück europäischer Einigung, ohne das eben auch die anderen Elemente – der gemeinsame Binnenmarkt, ein freier Finanz- und Dienstleistungsverkehr – nicht vorstellbar sind. Es war nur logisch, dass Premierministerin Theresa May schon vor dem Einreichen des offiziellen Austrittsantrags ankündigte, ihr Land wolle auch den gemeinsamen Binnenmarkt verlassen. Damit hat die britische Regierung selbst ihr Desinteresse an einem "weichen Brexit" signalisiert.

Was würde dieser bedeuten? Der gängigen Definition zufolge träte Großbritannien nach diesem Modell zwar aus der EU aus, bliebe jedoch Teil des Binnenmarktes und müsste dafür allerdings auch weiterhin zum EU-Haushalt beitragen, EU-Bürger auf der Insel wohnen lassen sowie die EU-Gerichtsbarkeit akzeptieren, so wie das beispielsweise Norwegen tut. Wenn Großbritannien dies alles ablehnt, ist schwer nachvollziehbar, warum ausgerechnet die verbleibenden EU-Mitglieder den Briten das Privileg des freien Warenaustauschs zum Nulltarif gewähren sollen. Aus Liebe zu den Brexit-Gegnern im Vereinigten Königreich? Aus Sorge um den Verbleib der drei Millionen EU-Bürger, die derzeit dort leben – und deren Schicksal die Regierung May schnöde zur Verhandlungsmasse erklärt hat?

Das Nein der Briten hat die EU der restlichen 27 Staaten in ihrem Selbstverständnis erschüttert – zu einem Zeitpunkt, da Egoismen und nationalistische Tendenzen ohnehin erstarken. Umso wichtiger ist, dass die verbleibenden Mitglieder nun tatsächlich zusammenstehen und sich auch nicht im Zuge der Brexit-Verhandlungen auseinanderdividieren lassen. Denn es stimmt zwar: Das Errichten der üblichen Zollschranken nach den Regeln der Welthandelsorganisation dürfte die Wirtschaft bremsen und damit tendenziell den Wohlstand mindern. Aber erstens werden die negativen Auswirkungen für die Briten gravierender sein als für die EU insgesamt. Und zweitens wären die Folgen allzu großer Nachgiebigkeit den Briten gegenüber noch schlimmer: Weitere EU-Mitglieder würden sich ermutigt fühlen, nur noch die Zuckerstückchen Europas einheimsen zu wollen, nicht aber Pflichten und Verantwortung für die Gemeinschaft zu tragen.

Falsch verstandene Liberalität dem Aussteiger gegenüber würde das gesamte Europa-Projekt gefährden. Daher kann die Linie nur sein: Hart und einig auf den wichtigen EU-Forderungen beharren.

Ressort: Ausland

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