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Von der Kindersoldatin zur Jurastudentin

Annemarie Rösch
  • Do, 09. Juni 2016
    Ausland

IM PROFIL: Die Kolumbianerin Juanita B. wurde als 14-Jährige von den Farc-Rebellen rekrutiert / Sie bekam die Chance zum Ausstieg.

Aus Angst will Juanita B. nur im Profil  fotografiert werden.    | Foto: KUNZ
Aus Angst will Juanita B. nur im Profil fotografiert werden. Foto: KUNZ
Wer sie sieht, würde nie erahnen, welch hartes Leben sie hinter sich hat: Mit einem rosaroten Smartphone macht die junge Frau mit den warmherzigen Augen bei der Ausstellung "Basta Ya! Kolumbiens Krieg und die Hoffnung der Menschen auf ein Ende der Gewalt" in Freiburg Fotos. Freundlich lächelt sie ihre Gesprächspartner an, wirkt quirlig. Doch Juanita Bs. Leben verlief alles andere als fröhlich, das merkt spätestens, wer sie fotografieren will. Von vorne möchte sie nicht aufgenommen werden. Und auch nicht ihren vollen Namen nennen. Aus Angst. Sie war eine Kindersoldatin der Farc-Rebellen in Kolumbien. 13 Jahre alt war sie damals. Nach neun Monaten konnte sie fliehen.

Wie gerät man so jung in die Hände der Rebellen? Es ist eine traurige Geschichte, die Juanita B. bei der Eröffnung der Ausstellung erzählt, die Caritas International, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbands und die Diakonie Katastrophenhilfe organisier haben. Offen spricht die 28-Jährige darüber, dass sie in ihrer Familie sexuell missbraucht wurde. Ähnlich erging es vielen ihrer Freundinnen. "Der sexuelle Missbrauch war einer der Gründe, warum ich zur Farc gegangen bin."

Die junge Frau stammt aus einem kleinen Dorf in Kolumbien, weit weg von den Städten. Dort gab es weder Schule, Ärzte noch Polizei. Die einzige Autorität waren die Farc-Rebellen, die seit 51 Jahren gegen den kolumbianischen Staat kämpfen. Anfangs ging es ihnen darum, die Ungerechtigkeiten zu beseitigen. 3200 Menschen besitzen dort 53 Prozent der Fläche, während 1,7 Millionen Menschen zusammen weniger als ein Prozent gehört. Die Armen begriffen die Farc zunächst als eine Art Robin-Hood-Organisation, die ihnen zu ihrem Recht verhilft. So sah es auch Juanita B.: "Wir träumten nicht davon, Ärzte zu werden. Wir wollten Farc-Krieger sein. Eine andere Perspektive kannten wir nicht." Im Laufe der Zeit verstrickte sich die Organisation allerdings immer tiefer in den Drogenhandel, um den Krieg zu finanzieren. Sie ließ im Kampf gegen die Regierung und verschiedene paramilitärische Einheiten all jene töten, die nicht bereit waren, sich ihr anzuschließen. Dieser Krieg hat viele Opfer gefordert: 200 000 Menschen starben, sechs Millionen wurden vertrieben. Der Bürgerkrieg in Kolumbien zählt zu einem der blutigsten weltweit.

Die Farc-Rebellen schulten Juanita B. während der neun Monate in ihrer linken Ideologie. Sie bildeten sie auch an den Waffen aus. Juanita B. lernte, stundenlang zu marschieren, ohne genug Essen und Trinken. Die Rebellen brachten ihr auch bei, wie man Verwundete versorgt. "Ein sicheres Umfeld für ein Kind war das nicht. Wir wurden für den Krieg ausgebildet." Nur eine Sache vermerkt sie positiv: "Anders als daheim wurden wir Mädchen nicht sexuell missbraucht."

Ein neues Leben begann für Juanita B. nach ihrer Flucht im Alter von 14 Jahren. Sie bekam die Chance, an einem Wiedereingliederungsprogramm der Regierung für Kindersoldaten teilzunehmen. "Am Anfang war das nicht einfach. Dort waren Kinder aus anderen Gruppen, die am Bürgerkrieg teilnehmen. Manche Begegnungen waren traumatisch", erzählt Juanita B. Sie erhielt psychologische Betreuung und konnte zur Schule gehen. Heute studiert diese Frau aus ärmsten Verhältnissen Jura und will sich für den Frieden in ihrem Heimatland starkmachen.

Etliche Schritte dazu hat Juanita B. getan. So konnte sie im Zuge des Friedensprozesses, der vor drei Jahren angestoßen wurde, nach Havanna reisen. Dort verhandelt die Regierung mit der Farc. Eigentlich sollte ein Vertrag im März unterzeichnet werden, noch verzögert sich das aber. "Ich habe dort einen Farc-Führer getroffen und ihn damit konfrontiert, dass die Rebellen Kinder unter 15 Jahren rekrutiert haben", sagt sie. Ein wenig stolz sieht sie aus, als sie von ihrem Mut erzählt. Eine befriedigende Antwort bekam sie allerdings nicht. Der Mann leugnete, dass die Farc Kinder als Soldaten missbrauchte. Aufgeben will sie dennoch nicht: "An meinem Beispiel sieht man, dass aus dem Schlechten Gutes erwachsen kann", sagt sie. Und: "Wir Frauen sind nicht das schwache Geschlecht. Wir können das Licht in der Dunkelheit sein."

Die Ausstellung "Basta Ya" dauert noch bis zum 30. Juni. Ort: Meckel-Halle, Sparkasse Freiburg, Eingang Franziskanerstraße



Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 09. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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