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"Ich hatte Lust, lauter zu werden"

  • Sa, 18. Februar 2017
    Rock & Pop

BZ-INTERVIEW mit dem Popmusiker Philipp Poisel über "Mein Amerika", sein erstes Album seit sechs Jahren.

Philipp Poisel während seiner USA-Reise  | Foto: Christoph Koestlin
Philipp Poisel während seiner USA-Reise Foto: Christoph Koestlin

2016 reiste Philipp Poisel mit seiner Band durch die USA und spielte dort sein neues Album "Mein Amerika" ein. Ob sich seine Gefühle für das Land seither geändert haben und wieso er in Zukunft mit einer großen Band auftreten wird, erzählt der 33-jährige Popmusiker im Gespräch mit Ines Tondar.

BZ: Herr Poisel, Ihre Fans haben lange auf ein neues Album gewartet. Warum haben Sie sich sechs Jahre Zeit gelassen?
Philipp Poisel: Weil ich so viel Zeit hatte. Von mir aus hätte es noch länger dauern können. Die Frage könnte auch lauten: Wieso ist es jetzt schon fertig? Dann würde ich meinen Produzenten oder die Plattenfirma nennen, die sich gewünscht haben, dass etwas Neues kommt.
BZ: Wie kam es dazu, dass Sie für Ihr neues Album nach Amerika gereist sind?
Poisel: Ich wollte dieses Mal mehr mit der Band spielen, und zudem war ich noch nie in Amerika. Ich hatte keine Lust mehr, immer das Gleiche zu machen. Also überlegte ich, was neue Ufer sein könnten. Den Sound, der so entstanden ist, den gab es davor auf keiner Platte.
BZ: Haben sich Ihre Gefühle für die USA nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten geändert?
Poisel: Ich glaube, mein Traum ist eher unabhängig vom Zeitgeschehen. Für mich ist Amerika ein romantischer, nostalgischer Sehnsuchtsort, der mit einem Freiheitsgefühl verbunden ist. Das ist natürlich eine Traumvorstellung. Mit der Tagespolitik möchte ich mich auf einer ganz anderen Ebene auseinandersetzen.
BZ: Hatten Sie irgendwelche skurrilen Erlebnisse auf der Reise?
Poisel: Ich fand es lustig, ständig von Amerikanern und ihren Superlativen umgeben zu sein. Wir machen uns mit der Band oft noch ein Spaß daraus. Egal, worum es geht, es ist alles: "The greatest thing I’ve ever seen". Als ich von oben New York und den Big Apple gesehen habe, wurde mir klar, dass nach außen kein Platz mehr war und dann in die Höhe gebaut wurde. Später in diesen Häuserschluchten herumzulaufen und beim Hochschauen fast kein Ende zu sehen, das hat mich sehr beeindruckt.
BZ: Wieso haben Sie sich für ein Studio in der Countryhauptstadt Nashville entschieden?
Poisel: Im Blackbird Studio haben schon Bands wie Kings of Leon oder James Bay aufgenommen, deren Platten ich supercool finde. Dort gibt es einen Aufnahmeraum, in dem ich mich selbst sehr gut hören kann, während ich singe. Das Studio in Nashville hat eine unglaubliche Geschichte mit einer sehr guten Technik. Die Toningenieure wissen, wie man nach den amerikanischen Industriestandards eine gute Platte macht.
BZ: Was schätzen Sie an Kings of Leon?
Poisel: Caleb Followill von Kings of Leon ist ein unheimlich toller Sänger. Ich selbst habe noch nie gedacht, dass ich sehr gut singen kann. Ich wünsche mir, auch mal ein paar andere Töne aus mir rauszuholen. Kings of Leon haben eine sehr starke Energie, sie sind live laut und aggressiv. Es wäre schön, auf die Bühne zu gehen und vor einem Publikum zu spielen, das nur gekommen ist, weil man gut singen kann und nicht, weil man auch nett aussieht.
BZ: Sie arbeiten auf dem neuen Album mit Klavier, Streichern, Chor und auch Countrymelodien. Was hat Sie dazu veranlasst, die Musik breiter anzulegen?
Poisel: Ich hatte Lust, lauter zu werden. Ich komme aus einem Reihenhaus, wo das nicht funktioniert hat, aber jetzt habe ich die Möglichkeit dazu. In den großen Hallen weiß ich gar nicht mehr, wie ich ohne die Band bestehen soll. Ich brauche sie als Hilfe. Auf der Reise sind wir als Gruppe mehr zusammengerückt.
BZ: Die erste Singleauskopplung heißt "Erklär mir die Liebe". Wieso haben Sie sich für dieses Lied entschieden?
Poisel: Das entscheidet die Plattenfirma. Es wird geschaut, ob der Song gut im Radio ankommt. Für mich ist es nicht das repräsentativste Lied, ich hätte lieber "Roman" genommen.
BZ: Wie kam es dazu, dass Sie die Musik für den Abspann zum Film "Das kalte Herz" geschrieben haben, der auf dem Märchen von Wilhelm Hauff basiert?
Poisel: Johannes Narber, der Regisseur, hat mich angerufen und mir den Film vorgespielt. Er hat sich gewünscht, dass ich etwas ausprobiere. Ich war sehr angetan von der schauspielerischen Leistung der Darsteller. Der Schwarzwald ist für mich ein Erinnerungsort an meine Kindheit. Also dachte ich, dass ich der Richtige sein könnte, um etwas beizusteuern. Den Song "Das kalte Herz", den ich geschrieben habe, wollte der Regisseur am Schluss gar nicht mehr haben. Dafür aber einen anderen.
BZ: Was wären Ihre drei Wünsche an Hauffs Glasmännlein?
Poisel: Gerade im Moment? Kaffee trinken gehen. Und Freiheit. Vor allem für die Menschen, die nicht in Freiheit leben können. Ich würde mir das als allgemeinen Wert für die Welt wünschen. Alles, was mit Freiheit zu tun hat, auch Meinungsfreiheit. Und mein letzter Wunsch wäre, irgendwann Schlagzeug spielen zu können.
BZ: Nicht alle Texte handeln von Amerika. Was verbindet trotzdem alle Songs?
Poisel: Es war mein Traum, das Album in Amerika aufzunehmen. Unterwegs habe ich gemerkt, dass man so eine Reise nicht alleine machen kann. Mir ist klar geworden, dass jeder auch eine andere Idee davon hat, was sein Amerika ist. Ich habe versucht, für die Wünsche der anderen offen zu sein. Schlussendlich bin ich woanders rausgekommen, als ich ursprünglich wollte. Es ist ein bisschen wie bei Kolumbus, der Indien finden wollte und dabei Amerika entdeckt hat.
BZ: Wie wird Ihr Album live präsentiert?
Poisel: Es wird eine Mischung, damit die alten Fans nicht gleich wieder aus der Halle laufen. Aber ich probiere auch ein paar neue Sachen aus. Es wird eine B-Bühne in der Mitte geben, um mehr Intimität herstellen zu können. Von E-Gitarre bis zur akustischen Gitarre wird die Bandbreite noch größer sein als sonst. Und was die Lautstärke angeht, wird ein bisschen mehr angezogen.

Philipp Poisel: Mein Amerika (Grönland). Konzert: Emmendingen, I EM Music, Schlossplatz, Donnerstag, 20. Juli, 20 Uhr.

Ressort: Rock & Pop

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