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Sprechendes Tableau

  • Do, 15. Februar 2018
    Kultur

Der Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler mit einem Auftritt der Company TippingPoint im Freiburger Münster.

Die Company TippingPoint im Freiburger Münster   | Foto: bamberger
Die Company TippingPoint im Freiburger Münster Foto: bamberger
Das Fastentuch hängt pünktlich im Freiburger Münster und verdeckt den Chor. Während der gesamten Fastenzeit wird es hier zu sehen sein. Betrachtet man es unter theatralischen Gesichtspunkten, wirkt es wie ein Tableau von leidenden und trauernden Körpern. Eingefroren im Schmerz seit dem 17. Jahrhundert. Und für diesen Perspektivwechsel, das Zusammenführen von Religion und Kunst, ist der Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler ja da. Seit 2005 wird er in der Erzdiözese gefeiert. Doch die Institution selbst ist älter, 1950 wurde er erstmals in Köln begangen. Begründet wurde er von einem gläubigen Katholiken, dem Schriftsteller und Dichter Paul Claudel nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris.

Und es scheint ja wirklich die Sehnsucht nach einem solchen Schulterschluss zwischen Kirche und Kunst zu herrschen, nach Spiritualität und weniger Hektik im Alltag. Das Münster jedenfalls war an diesem Aschermittwoch gut gefüllt. Mit Menschen, denen die Kunst, so Erzbischof Stephan Burger, Lebensmittel ist. Dass in diesem Jahr nicht das Wort, sondern der Tanz in den Gottesdienst integriert wurde, muss man nicht als Zugeständnis an den Körper lesen an einem Tag, der absurder-, aber eben auch lustigerweise mit dem Valentinstag zusammengefallen ist. Eine gewisse Dialektik ist jedoch prägend und auch die Vorstellung, dass Bewegung so lesbar wie das Wort sei, sobald tanzende Körper in einer Kirche zu sehen sind.

Die Maihinger Choreografin Barbara J. Lins und die Company TippingPoint haben Erfahrungen mit Auftritten im Kirchenraum, konzentrieren sie sich doch auf gesellschaftliche Themen und den Glauben. Das Stück "Continuum" ist eine Auftragsarbeit der Erzdiözese und war als Freiburger Beitrag in Wittenberg erstmals während des Lutherjahrs zu sehen. Dennoch dürften viele mit zeitgenössischem Tanz fremdeln.

Während des Kyrie schufen einfache Gesten eine Verbindung zwischen der Compagnie, der Gemeinde und den Geistlichen. In ihrer Einführung deutete Lins diese als ein Zuwenden, eine Reaktion auf die derzeitige Weltlage und die Kritik am Konsum. Das lässt sich als Vermittlungsarbeit verstehen, aber auch als ein Festlegen auf Bedeutungen. Später fanden sich das Öffnen der Hände und das Schließen der Augen mit diesen in den Bewegungen der fünf Tänzerinnen (Maike Bez, Carmen Krämer, Barbara J. Lins, Claudia Ungericht, Linda Waldhoff).

"Continuum" ist ein sprechendes Stück, das neben harmonischen Symmetrien Situationen der Überforderungen zeigt, wenn eine der Tanzenden sich zusammenzieht, mit den Füßen auf dem Boden trappelt, während sie von einer zweiten gehalten wird: ein anschauliches Tableau der Fürsorge. Kunst muss anders als die Religion nicht alles deuten. Dieser Widerspruch wurde auch an diesem Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler nicht aufgelöst.

Ressort: Kultur

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