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Infektionen

Antibiotika-resistente Bakterien verursachen europaweit jährlich 33.000 Todesfälle

  • dpa

  • Di, 06. November 2018, 21:43 Uhr
    Panorama

Antibiotika wirken immer seltener: Mehr als 33.000 Menschen sterben in Europa an Infektionen, weil Medikamente den Bakterien nichts anhaben können.

Antibiotikaresistente Staphylokokken  | Foto: -
Antibiotikaresistente Staphylokokken Foto: -

Dies schätzen Experten nach der Auswertung von Daten, die unter anderem ein europäisches Netzwerk zur Beobachtung antimikrobieller Resistenzen (EARS-Net) im Jahr 2015 erhoben hatte. In Deutschland starben demnach mehr als 2300 Menschen an einer Infektion, gegen die es keine oder nur wenige wirkende Antibiotika gibt. Die Zahl solcher Infektionen sei europaweit seit 2007 gestiegen.

Zwischen einzelnen Ländern gebe es teils erhebliche Unterschiede, berichtet die internationale Forschergruppe im Fachblatt The Lancet Infectious Diseases. Das Team um Alessandro Cassini von der EU-Gesundheitsbehörde ECDC in Solna (Schweden) hatte Angaben aus 30 Ländern der Europäischen Union und des europäischen Wirtschaftsraumes ausgewertet. Sie konzentrierten sich dabei auf acht verschiedene Bakterienarten, die Resistenzen gegen einzelne oder Kombinationen von Antibiotika aufweisen. Diese verursachen etwa Harn- und Atemwegsinfekte, Infektionen der Blutbahn und an Operationswunden.

Harmlose Infektionen können zum Tod führen

Bei Patienten, die sich mit solchen Keimen infizieren, schlagen die entsprechenden Antibiotika nicht an. Teils werden noch wirksame Antibiotika zu spät verabreicht, weil die Resistenzen nicht frühzeitig genug erkannt werden. Auch an sich harmlose Infektionen können dann schwer, schlimmstenfalls tödlich verlaufen. Die Forscher werteten auch Angaben aus früheren Studien aus, etwa zum Verlauf solcher Infektionen oder bleibenden gesundheitlichen Problemen.

2015 traten demnach knapp 672 000 Infektionen mit den untersuchten Bakterien auf, 33 110 Menschen starben daran. Etwa Dreiviertel der Erkrankungen mit antibiotikaresistenten Keimen wurden in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems festgestellt, berichten die Forscher. In 39 Prozent der betrachteten Fälle seien die Patienten mit einem Keim infiziert, gegen den auch Reserve-Antibiotika nichts mehr ausrichten können. Die Behandlung einer Infektion ist dann nur noch sehr schwer, teils gar nicht mehr möglich.

"Die Zahlen entsprechen etwa dem, was wir erwartet haben", sagte Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité. "Die Forscher haben das solide und sorgfältig berechnet." Es gebe bei solchen Modellierungen aber einige Unwägbarkeiten. So seien die Meldesysteme für auftretende Resistenzen in einzelnen Ländern unterschiedlich repräsentativ, auch die Studiendaten variierten in Qualität und Verfügbarkeit.

In den skandinavischen Ländern ist die Situation besser, in den Ländern Süd- und Südosteuropas eher problematisch, belegte die Analyse. Besonders viele Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern gibt es demnach in Griechenland und Italien. Deutschland liegt im unteren Drittel, was die Zahl der Infektionen und Todesfälle angeht.

Es sei davon auszugehen, dass sich die Situation zumindest hierzulande seit 2015 nicht entscheidend verändert habe, sagte Gastmeier. Was mögliche Verbesserungen anbelangt, sei auch in Deutschland noch Luft nach oben. "Wir brauchen vor allem noch mehr Aufmerksamkeit, was die Zahl der Antibiotika-Verschreibungen angeht, die ist noch immer zu hoch." Das betreffe sowohl den klinischen Bereich als auch die niedergelassenen Ärzte. Auch bei vielen Patienten sei noch nicht angekommen, wie wichtig es ist, den Einsatz von Antibiotika auf die wirklich nötigen Fälle zu beschränken. Laut Gastmeier kennen viele Menschen den Unterschied zwischen Viren und Bakterien nicht. Das habe eine Umfrage des Instituts 2015 gezeigt "Das ist aber wichtig zu verstehen, weil Antibiotika gegen Infektionen, die von Viren verursacht werden, nicht helfen."

Alle Altersgruppen seien von Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen betroffen, schreiben die Forscher. Häufig träten sie aber bei Kleinkindern unter einem Jahr sowie bei älteren Menschen über 65 Jahren. Antibiotika sollten nur dann verschrieben werden, wenn sie wirklich nötig sind. Zudem müssten bestehende Hygienevorschriften, vor allem in Krankenhäusern, eingehalten werden. Schließlich brauche es mehr Forschung, um neue antibiotisch wirkende Substanzen zu entwickeln.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 07. November 2018: PDF-Version herunterladen

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