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Ostwestfalen

Das Horror-Haus von Höxter - Mordprozess beginnt

  • Florentine Dame & dpa

  • Mi, 26. Oktober 2016, 00:01 Uhr
    Panorama

Ein Paar soll mit Kontaktanzeigen Frauen angelockt und sie anschließend gequält haben. Zwei Opfer überlebten die Hölle von Höxter nicht. Nun beginnt vor Gericht die Aufarbeitung der Grausamkeiten.

In diesem Gehöft soll ein Paar Frauen misshandelt haben.   | Foto: dpa
In diesem Gehöft soll ein Paar Frauen misshandelt haben. Foto: dpa
Das "Horrorhaus von Höxter" stellt einen der grausigsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre dar. Ein geschiedenes Ehepaar soll mit Kontaktanzeigen Frauen in sein Haus in Ostwestfalen gelockt haben. Laut Anklage bauten die zwei Vertrauen zu ihren Opfern auf und quälten sie dann auf abscheuliche Art. Zwei Menschen überlebten das nicht. Der Mordprozess beginnt am Mittwoch am Landgericht Paderborn.

Was jahrelang hinter den Wänden eines etwas schäbigen Gehöfts im kleinen Dorf Höxter-Bosseborn passiert sein soll, steht in den 3000 Seiten umfassenden Akten des Verfahrens gegen die beiden Angeklagten – sie ist heute 47 Jahre alt, er ein Jahr jünger. Beweismittel, Zeugenaussagen und ein Geständnis sollen das geschiedene Ehepaar Wilfried und Angelika W. des zweifachen Mordes durch Unterlassen überführen. Der Prozess wird mindestens bis Ende März dauern.

In dem sadistischen Spiel um Macht und Unterwerfung sollen den Opfern büschelweise Haare ausgerissen worden sein. Sie seien an Heizkörper gekettet, geschlagen und getreten worden, berichtete ein Ermittler, als die Misshandlungsfälle im Sommer aufflogen. Eine Frau entkam, andere wurden zumindest bedroht und so um Geld erleichtert, wie der ermittelnde Staatsanwalt Ralf Meyer schildert.

Insgesamt gehen die Ermittler von mindestens acht Opfern aus, in weiteren Fällen laufen noch Ermittlungen. Untersucht werde derzeit auch der Vorwurf einer Vergewaltigung, bestätigt Meyer Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Eine Frau soll im Jahr 2011 drei Wochen lang festgehalten, geschlagen und getreten worden sein.

Die Tatvorwürfe zusammenzubringen, das Geschehen zu ordnen und zu bewerten, die umfassende Aussage der Angeklagten zu überprüfen – das lasse einen langwierigen Prozess erwarten, so ein Gerichtssprecher. "Wir haben es immerhin mit zwei Toten zu tun, bei denen eine Leiche fehlt. Und wir wissen nicht, wer sonst noch zu Schaden kam."

Nach Bekanntwerden des Falls meldeten sich Opfer

Aus der Aussage der Angeklagten bei der Polizei ist bekannt, dass das Paar den Körper einer 33-Jährigen erst in die Tiefkühltruhe gesteckt, dann nach und nach zerstückelt und im Kamin verbrannt haben soll. Zuvor soll sie durch Misshandlungen ums Leben gekommen sein. Nach den am Straßenrand verstreuten Überresten suchten Polizeihunde vergeblich.

Ein Jahr und knapp neun Monate später war es eine Autopanne, die dem Ganzen ein Ende setzten. Eine 41-jährige Frau aus Bad Gandersheim bei Hildesheim war durch wochenlange Misshandlungen so mitgenommen, dass das Paar sie im April 2016 zurück nach Niedersachsen bringen wollte. Unterwegs blieb dann das Auto liegen, und sie entschieden sich, einen Notarzt zu rufen. Zwei Stunden später starb die Frau im Krankenhaus. Die Polizei wurde eingeschaltet – und stieß auf die Abgründe hinter dem Todesfall.

Monatelang wurde ermittelt. Die Polizei durchsuchte jeden Quadratzentimeter in dem Haus in Höxter, befragte Frauen, die sich nach Bekanntwerden des Falles als mutmaßliche Überlebende der Misshandlungen gemeldet hatten. Auch soll das angeklagte Paar manche Opfer nicht nur gefoltert, sondern auch um größere Summen gebracht haben. Die Sonderkommission war auf rund 100 000 Euro gestoßen, die die Tatverdächtigen von ihren Opfern erhalten haben sollen.

Vieles, was die Ermittler zu wissen glauben, stammt aus der Aussage der Angeklagten Angelika W.: Detailliert sagte sie aus, was sich in den dunklen Stunden in ihrem Haus abgespielt haben soll. Nach früheren Ermittlerangaben, hatte sie ausgesagt, den Frauen auf Befehl von Wilfried W. Schmerzen zugefügt zu haben. Sie soll ihm hörig gewesen sein, sagte der damalige Chefermittler Ralf Östermann.

Wilfried W., der selbst einschlägig vorbestraft ist, weil er in den 1990er-Jahren seine damalige Ehefrau zusammen mit einer Komplizin misshandelte, schweigt gegenüber der Polizei. Sein Anwalt hatte in verschiedenen Medienberichten angekündigt, dass er sich vor Gericht einlassen werde. Sein Mandant bestreite, an der Folter der Frauen beteiligt gewesen zu sein, treibende Kraft sei Angelika W. gewesen. Dem Gericht steht ein mühsamer Weg bevor, die dunklen Geschehnisse ans Licht zu bringen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 26. Oktober 2016: PDF-Version herunterladen

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