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Eine Chance für die krumme Möhre

  • dpa

  • Mo, 27. Februar 2017
    Panorama

Ein Laden in Köln verkauft Obst und Gemüse, das es nicht in normale Supermärkte schafft.

Klaski in ihrem Laden   | Foto: dpa
Klaski in ihrem Laden Foto: dpa
KÖLN (dpa). Nicole Klaski ist gerade eine gefragte Frau. Das verwundert sie selbst. Sie hat einen kleinen Laden im Kölner Stadtteil Ehrenfeld aufgemacht, in dem sie Obst und Gemüse verkauft, das nicht den Normen entspricht und es daher nicht in den klassischen Handel schafft. "Wir sind ein bisschen überwältigt", sagt sie. Das brasilianische Fernsehen sei schon da gewesen. Ihre Geschichte stehe auf einer chinesischen Webseite.

Klaski hat mit ihrem Lädchen offenkundig einen Nerv getroffen. Seit Anfang Februar verkauft sie Lebensmittel wie krumme Möhren oder ganz kleine Kartoffeln. Sie schmecken natürlich nicht schlechter. Der Kölner Resteladen gehört zu einer der neuesten Erscheinungen einer jungen Szene, die aussortierte Lebensmittel retten will. Immer mal wieder machen Projekte damit auf sich aufmerksam. Sie heißen "Schnippeldisko" oder "Restlos Glücklich" in Berlin – oder "The Good Food". So heißt der neue Kölner Laden.

Klaski hat nicht nur krummes Gemüse im Sortiment, sie verkauft auch Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, zum Beispiel Bier. "Das Thema Lebensmittelverschwendung ist einfach eingängig", sagt sie. Jeder habe sich vielleicht schon darüber geärgert, wenn etwas im Kühlschrank vergessen wurde und dessen Haltbarkeit abgelaufen ist. Oder man habe einfach mal gelesen, wie viel weggeschmissen wird. Etwa diese Zahl: Jährlich landen in Deutschland elf Millionen Tonnen Nahrung nach einer Studie für das Ernährungsministerium von 2012 im Müll.

Der Laden hat verschiedene Bezugsquellen. Gemüse etwa wird bei einem Bauern nachgeerntet. "Er könnte es selbst ernten. Aber er weiß genau: Später kriegt er es nicht verkauft, weil seine Handelspartner strikte Richtlinien haben", sagt Klaski. Die Kartoffeln zum Beispiel. "Er weiß genau, was zu groß, zu klein, zu knubbelig ist." Das sind dann Fälle für ihr Team. Sie holen ab, was bei der Sortiermaschine durchs Raster fällt. Anders ist es etwa bei Porree – da müssen sie selbst aufs Feld und einsammeln, was die Arbeiter liegen gelassen haben.

Feste Preise gibt es in dem Laden nicht. "Zahl, was Du möchtest" steht auf mehreren Schildern. Das soll auch heißen: Was es dem Käufer wert ist. Vielen sei gar nicht mehr klar, welche Arbeit Bauern leisteten, sagt Klaski. Sie entwickelte die Idee nach einem Aufenthalt in Nepal. Zurück in Köln wurde ihr bewusst, wie verschwenderisch in Deutschland mit Ressourcen umgegangen wird. Aktuell lebt "The Good Food" noch idealistisch. Das komplette Team arbeitet ehrenamtlich. Es sollen aber echte Stellen entstehen.

Was kein Gemüse ist, kommt etwa von Firmen, die ihre Produkte aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr verkaufen wollen oder können – etwa weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft oder schon abgelaufen ist. Da dies aber kein Verfallsdatum ist, kann der Laden die Produkte anbieten. Die Kunden müssen aber darauf hingewiesen werden.

So neu der Laden ist, so alt ist die Idee dahinter: Was können Bauern aus Unförmigem noch machen? Der Hofladen ist ein Konzept, das es als Antwort schon gibt. Oder Saftherstellung. Beschädigte oder unförmige Möhren landen oft als Futter bei Pferden.

Klaskis Sortiment jedenfalls ist auch schon reichlich ausgedünnt an diesem Tag. "Vielleicht machen wir noch einen Laden auf", sagt sie.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 27. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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