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Gassi gehen mit der Löwin

  • dpa

  • Mo, 20. August 2018
    Panorama

In Tschechien werden immer öfters dubiose Geschäfte mit Raubkatzen gemacht.

Bei einer Razzia nahe Prag wurde dieser tote Tiger gefunden.  | Foto: dpa
Bei einer Razzia nahe Prag wurde dieser tote Tiger gefunden. Foto: dpa
PRAG (dpa). In der kleinen tschechischen Gemeinde Zdechov hat jüngst eine Löwin, die von ihrem Besitzer an einer Leine spazieren geführt wurde, eine Mountainbike-Fahrerin angegriffen. Die Haltung von Raubkatzen erlebt in Tschechien derzeit einen Boom. Tomas Kocourek ist Bürgermeister von Zdechov und kein Freund der gassigehenden Raubkatzen in seinem Ort. "Mich rufen entsetzte Mütter an, die mit ihren Kindern auf Spaziergang sind", sagt er. Solche Begegnungen seien keine Seltenheit.

Juristisch hat Kocourek nach eigenen Angaben allerdings kaum eine Möglichkeit, gegen die Raubtierhaltung vorzugehen. Verboten ist sie nicht. "Ich kann nichts unternehmen, außer dem Besitzer ins Gewissen zu reden", sagt er. Mehr als 250 Großkatzen leben in Tschechien bei privaten Haltern und Züchtern. Bei den kommunalen Tierparks stößt das auf wenig Verständnis. "Ich halte es persönlich für falsch, die Haltung von Löwen oder Tigern als Privatvergnügen zu betreiben", sagt Miroslav Bobek, Direktor des Prager Zoos. Bobek fordert seit Jahren rechtliche Regeln zum Schutz der Tiere – und der Öffentlichkeit. In Tschechien gebe es eine Reihe sogenannter "Zooparks" oder "Bioparks", in denen die Raubkatzen unter unzureichenden Bedingungen litten. Mit einem richtigen Zoo, so wie dem seinen, habe dies nichts gemein.

In einem solchen "Biopark" waren Mitte Juli zwei Tiger und ein Löwe aus ihren Transportkäfigen entkommen. Die Polizei musste mit einem Großaufgebot anrücken. Am Ende konnten die Tiere mit Schüssen aus dem Narkosegewehr betäubt werden. Sie hatten sich in aller Ruhe einen schattigen Platz unter einer Kiefer ausgesucht. Tragisch endete indes das Leben von mindestens drei Tigern in einem anderen "Zoopark" bei Prag. Bei einer Razzia, ebenfalls Mitte Juli, machte die Polizei einen grausamen Fund: Neben einem frisch getöteten Tiger stießen sie auf tiefgefrorene Kadaver, auf Tigerfelle und Produkte wie "Tigerwein" – in Spirituosen eingelegte Tigerknochen.

Die Ermittler sind überzeugt, dass die Körperteile für die traditionelle chinesische Medizin verwendet werden sollten. Auf dem Schwarzmarkt in Asien werden hohe Preise für Tigerprodukte gezahlt, ihnen werden heilende Kräfte nachgesagt. Drei Verdächtige tschechischer und vietnamesischer Nationalität sitzen nun in Untersuchungshaft. Das Medieninteresse ist enorm, denn unter den Beschuldigten ist auch ein entferntes Mitglied einer angesehenen Zirkusfamilie.

Nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES ist jeder kommerzielle Handel mit Tigerprodukten verboten. Die orange-schwarz gestreiften Raubkatzen gelten als stark bedroht. Dennoch scheinen die jüngsten Enthüllungen in Tschechien kein Einzelfall zu sein. Nach Recherchen der Organisation Vier Pfoten wurden zwischen 1999 und 2016 mehr als 8200 illegale Tigerprodukte wie Zähne, Krallen und Suppenwürfel aus Tigerknochen in der EU beschlagnahmt.

Ein Kilo Tigerknochen bringt den Tierschützern zufolge auf dem Schwarzmarkt im Schnitt 1700 Euro ein. Die tschechische Regierung hat nun erste Gegenmaßnahmen angekündigt, darunter einen Exportstopp für lebende Tiger in Drittstaaten außerhalb der EU. Nicht immer ist klar, was dort mit ihnen geschieht. Die Tierschützer von Vier Pfoten warnen jedenfalls: "Der legale Handel befeuert den illegalen Handel."

Ressort: Panorama

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