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Madagaskar

In den Slums der afrikanischen Inselrepublik breitet sich gefährliche Lungenpest aus

  • Jürgen Bätz/Laetitia Bezain (dpa)/BZ

  • Di, 17. Oktober 2017
    Panorama

In Madagaskars Slums wächst die Zahl der Lungenpestfälle.

Zwei Schulkinder auf Madagaskar mit Mundschutz   | Foto: DPA
Zwei Schulkinder auf Madagaskar mit Mundschutz Foto: DPA
Am Flughafen und in Banken tragen die Angestellten vorsichtshalber Atemmasken, Versammlungen sind verboten, Schulen bleiben geschlossen, und der Präsident spricht von "Krieg". Ein Ausbruch der hochgefährlichen und leicht übertragbaren Lungenpest versetzt die Menschen in Madagaskar in Angst – vor allem weil die Pest diesmal auch in den dicht besiedelten Städten grassiert.

Anfang Oktober bildeten sich erstmals lange Schlangen vor den Apotheken der Hauptstadt Antananarivo, als Menschen versuchten, rasch Antibiotika zur Pest-Prophylaxe zu kaufen. Die Vorräte waren schnell verbraucht. Die Regierung rief zu Besonnenheit auf. Doch kurz darauf schickte das Gesundheitsministerium SMS-Kurznachrichten an alle in Madagaskar registrierten Telefone: "Lungenpest: schneller Tod. Wenn Sie husten und eines der Symptome haben – Fieber, Halsweh, Atemlosigkeit, blutiger Auswurf – dann gehen Sie ins Krankenhaus."

Normalerweise stecken sich in einer Pest-Saison von September bis April etwa 280 bis 600 Menschen auf Madagaskar mit dem Erreger des Schwarzen Todes an. Die meisten erkranken an der Beulenpest; üblicherweise sind nur ein Prozent der Fälle Lungenpest. Doch nun sind bereits mindestens 560 Erkrankte bekannt, davon haben 70 Prozent die Lungenpest. Mindestens 45 Infizierte sind gestorben. Die Hälfte der Erkrankten leben in Antananarivo, einer Stadt mit rund 1,8 Millionen Menschen. Ein aus Madagaskar zurückgekehrter Urlauber hat die Krankheit auch auf die Seychellen eingeschleppt. Die Fluggesellschaft Air Seychelles stellte den Flugverkehr nach Madagaskar zunächst ein. Eine Epidemie dieses Ausmaßes gab es seit jener im indischen Surat 1994 nicht mehr.

Die Schulen in Antananarivo und anderen Orten sind gespenstisch leer, an der Universität fiel der Unterricht aus. "Die Universität ist komplett verwaist", sagt Studentin Antsa Randriamanalina schon vergangene Woche. Nur ein paar Studenten seien auf dem Campus, um Gruppenarbeiten zu machen, so die 20-Jährige. "Ich mache mir schon ein bisschen Sorgen. Ich hoffe, dass es nicht noch schlimmer wird."

1,5 Millionen Dosen Antibiotika sollen helfen

Madagaskars Präsident Hery Rajaonarimampianina zeigte sich bei der Übergabe von Hilfsmitteln durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zunächst zuversichtlich, dass man der Seuche Herr werden kann. Die WHO hatte Anfang Oktober knapp 1,5 Millionen Dosen Antibiotika geschickt; weitere 240 000 sollen folgen . Bis zu 5000 Erkrankte können behandelt werden und 100 000 Menschen Prophylaxe bekommen. "Je schneller wir handeln, desto mehr Leben retten wir", sagte WHO-Chefin in Madagaskar, Charlotte Ndiaye. Rotes Kreuz und Roter Halbmond haben jetzt erstmals eine mobile Klinik geschickt mit 50 Betten. Man habe aus Ebola gelernt; es gehe darum, schnell zu reagieren.

Verursacher der Pest ist das Bakterium Yersinia pestis. Der Erreger wird meist von Flöhen übertragen, die sich Ratten als Wirt nehmen. Kaum eine andere Seuche hat in der Geschichte so viel Angst und Schrecken verbreitet: Zwischen 1346 und 1353 raffte der Schwarze Tod in Europa etwa ein Drittel der Bevölkerung dahin.

Ein Ausbruch der Pest in Deutschland ist extrem unwahrscheinlich. Theoretisch könnten infizierte Ratten und Flöhe auf Frachtschiffen ankommen. Oder ein Urlauber könnte die Krankheit einschleppen. Doch mit einem funktionierendem Gesundheitssystem wäre ein Pest-Ausbruch schnell unter Kontrolle, heißt es bei der WHO (siehe auch unten stehendes Interview). "Das beunruhigendste Szenario wäre, wenn die Lungenpest eine der Städte auf dem afrikanischen Festland erreichen würde, die direkte Flugverbindungen nach Madagaskar haben, nämlich Addis Abeba, Nairobi und Johannesburg", sagt Ben Payton, Afrika-Experte bei der Risikoberatung Verisk Maplecroft. Die Behörden dort würden vermutlich "Schwierigkeiten haben, die Krankheit unter Kontrolle zu bringen".

Die jetzige Epidemie trifft in Antananarivo vor allem Armenviertel. Sie sind vielerorts voll mit Müll, so dass Ratten ideale Bedingungen haben, weswegen es immer wieder Fälle der Beulenpest gibt. Um wegen des Ausbruchs der Lungenpest Panik zu vermeiden, haben die Behörden an den Zugängen zu betroffenen Vierteln Zelte aufgestellt, in denen Experten die Bevölkerung informieren. Madagaskar mit rund 25 Millionen Einwohner ist seit Jahren das Land mit den weltweit meisten gemeldeten Pest-Erkrankungen, vor allem von Beulenpest. Wird aus einem Dorf ein Fall gemeldet, rücken die Gesundheitsbehörden an, um gegen Ratten vorzugehen, Häuser zu desinfizieren und mit Insektizid einzusprühen. Pest-Tote werden mit Chlorlösung gewaschen und mit Kalk eingerieben, denn selbst sie können die Infektion weitergeben. Bestattungsrituale wie die mehrtägige Totenwache im Haus des Verstorbenen sind verboten. Die Leichen müssen weit weg von Friedhöfen begraben werden. "Unsere Teams sind gut darin geschult, vereinzelte Pest-Ausbrüche auf dem Land zu bekämpfen", sagte Gesundheitsminister Mamy Lalatiana Andriamanarivo dem französischen Sender RFI. "Aber diesmal ist es anders."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 17. Oktober 2017: PDF-Version herunterladen

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