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Ägypten

Kairo: Pinke Taxis sollen Frauen schützen

  • Iris Mostegel

  • Mi, 02. Dezember 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

In Kairo ist das erste Taxiunternehmen von Frauen für Frauen gegründet worden. Dies ist eine Reaktion auf sexuelle Belästigungen, die in der Millionenstadt überhand nehmen.

Pink Taxi-Gründerin Reem Fawzy in einem der pinken Taxis der Flotte.   | Foto: privat
Pink Taxi-Gründerin Reem Fawzy in einem der pinken Taxis der Flotte. Foto: privat
Pink ist das Kopftuch, pink ist das Hemd, pink sind die Schuhe: In diesem Outfit fährt die 37-jährige Iman Khater seit einigen Wochen ihr pinkes Gefährt durch Kairos Straßen. Gemeinsam mit 51 anderen Fahrerinnen gehört sie zur Stammcrew von "Pink Taxi", dem ersten Taxiservice Kairos von Frauen für Frauen. Es ist ein Service, der notwendig war, denn sexuelle Belästigung ist in der Millionenmetropole Alltag.

"Zu Beginn haben wir herablassende Kommentare zu hören bekommen", erzählt Khater lachend. "Könnt ihr überhaupt Reifen wechseln", war einer der meistgehörten. Doch mittlerweile habe man sich an den Anblick der pinken Flotte und ihrer Fahrerinnen gewöhnt. "Nun ruft man uns nette Dinge zu", so Khater.

Frauen vor Zudringlichkeiten zu schützen und einen sicheren Transport zu garantieren, das ist die Idee von "Pink Taxi", einem Unternehmen, das die 42-jährige Geschäftsfrau Reem Fawzy diesen Herbst gegründet hat. Und damit den ägyptischen Nerv an einer besonders sensiblen Stelle berührt – taharrush, auf deutsch: sexuelle Belästigung. In lokalen Medien oft als Epidemie beklagt, stellt es Ägyptens Gesellschaft vor große Herausforderungen. In einer UN-Studie von 2013 gaben 99,30 Prozent der Ägypterinnen an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. Anstößige Sprüche, obszöne Gesten, zudringliche Berührungen – besonders groß ist das Risiko in Kairos überfüllten Verkehrsmitteln; Metro und Busse sind speziell verrufen, aber auch in Taxis ist man vor taharrush nicht gefeit.

Diese Umstände brachten die resolute Reem Fawzy auf die Idee: Kurz entschlossen erwarb sie eine pinke Autoflotte, rekrutierte via Facebook 52 Frauen und ließ sie in einem zweimonatigen Ausbildungskurs zu Fahrerinnen ausbilden. Die Frauen studierten die Verkehrsregeln, lernten Reifen sowie Öl zu wechseln, daneben stand ein psychologisches Training für den Umgang mit Stressituationen auf dem Programm. Um die Sicherheit für Kundinnen wie für Fahrerinnen zu erhöhen, installierte Fawzy in die Wagen außerdem Kameras; ist Gefahr in Verzug, kann die Zentrale über einen Notfallbutton verständigt werden. "Wenn ich früher in ein Taxi gestiegen bin, habe ich meiner Familie immer eine SMS mit dem Kennzeichen geschickt", erzählt die 42-Jährige. "Viele Frauen fühlen sich bei einer weiblichen Taxifahrerin einfach sicherer."

Doch Fawzy hat hohe Ansprüche. Wer für sie fahren will, braucht einen Universitätsabschluss, sollte nicht älter als 45 Jahre alt sein und gute gute Englischkenntnisse aufweisen. "Herkömmliche Fahrer sind ungehobelt", meint die Unternehmerin. "Meine Fahrerinnen sollen stilsicher auftreten, sie dürfen nicht rauchen oder von sich aus eine Unterhaltung mit der Kundin beginnen."

Vorgaben, die die 37-jährige Iman Khater mittlerweile verinnerlicht hat. Sie hat bis vor kurzem in einer IT-Firma als Software-Entwicklerin gearbeitet, doch als sie die "Pink Taxi"-Annonce entdeckte, beschloss sie ihr Faible für rasante Spritztouren zum Beruf zu machen. Nur: Lösen Frauentaxis wirklich das Problem sexueller Belästigungen? Eine Frage, die in Talkshows lebhaft diskutiert wird. Während es die einen als pragmatischen Lösungsansatz betrachten, ist es für andere ein gesellschaftlicher Rückschritt. Dalia Abd El-Hameed, Frauenrechtsbeauftragte der Menschenrechtsorganisation Egyptian Initiative for Personal Rights: "Frauentaxis sind kontraproduktiv, weil sie zur weiteren Trennung zwischen Frau und Mann führen. Anstatt die Wurzel des Problems zu bekämpfen, schlägt man aus der Angst vor sexuellen Belästigungen Kapital."

Kritik müssen manche Taxifahrerinnen auch von den eigenen Familien einstecken. Nur ungern sieht man die Tochter in einem traditionellen Männergewerbe, das noch dazu im sozialen Ansehen ganz unten steht. Eine weitere Sorge: Bei Überfällen und anderen Gefahrensituationen könnten sie sich schlecht wehren. Eine Handvoll Frauen musste deshalb auf familiären Druck die Fahrerinnen-Ausbildung bei "Pink Taxi" abbrechen.

Auch Iman Khater hatte Sorge vor Widerstand. "Ich habe meiner Mutter erst gar nichts erzählt. Sie glaubt bis heute, dass ich als Software-Entwicklerin arbeite", erklärt sie. Trotzdem steht sie zu ihrer Entscheidung. "Autofahren ist einfach meine große Leidenschaft."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 02. Dezember 2015: PDF-Version herunterladen

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