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Toronto

Koch eines indigenen Restaurants verursacht wegen Speisekarte Streit um Robbenjagd

Gerd Braune

Von

Mi, 18. Oktober 2017

Panorama

Ein kleines indigenes Restaurant in Toronto löst mit seiner Speisekarte eine Kontroverse um die Robbenjagd aus.

Mann auf Robbenjagd   | Foto: dpa
Mann auf Robbenjagd Foto: dpa

OTTAWA/TORONTO. Ein kleines indigenes Restaurant in Toronto sieht sich inmitten eines Sturms. Der Grund: Eigentümer und Chefkoch Joseph Shawana bietet ein Tatar aus Robbenfleisch an. Gegner der Robbenjagd machen gegen Shawana, sein Restaurant Ku-kum Kitchen und das Tatar mobil. Für seine Unterstützer sind die Proteste Ausdruck von Respektlosigkeit gegenüber der indigenen Kultur und Heuchelei.

Seine indigene Küche mit den traditionellen Bestandteilen der Speisen der Ureinwohner Kanadas soll "jedem, der in unser Restaurant kommt, helfen, sich mit unserer Kultur, der indigenen Kultur, zu identifizieren", sagt Joseph Shawana. Dazu gehört Robbenfleisch. Daher werde es trotz der Onlinepetition, die gegen ihn gestartet wurde, auf der Speisekarte bleiben. Eine Gegenpetition zur Solidarität mit "Ku-kum Kitchen" wurde ebenfalls in Gang gesetzt. Beide Petitionen hatten bis Dienstagmorgen zwischen 5000 und 5500 Unterstützer gefunden. Im Sommer hatte Shawana in Toronto sein Restaurant eröffnet, das etwa 30 Gästen Platz bietet. Shawana wuchs im Wikwemikong-Reservat auf der Insel Manitoulin im Huronsee auf. Er interessierte sich von früher Jugend an für die Pflanzen, die Teil der traditionellen indianischen Ernährung waren. Als junger Mann ging er nach Toronto, besuchte dort eine Kochschule und arbeitete in Restaurants, in denen er die französische Küche kennenlernte. Nun will er beide Richtungen, die indigene und die französische Küche, vereinen.

"Ku-kum" ist ein Wort aus der Sprache der Cree und bedeutet Großmutter. "Unsere Großmütter lehren uns jeden Tag, wie man leben muss. Meine Großmutter starb leider vor einigen Jahren. Bei ihr lernte ich kochen", erzählt Shawana.

Online-Petition kritisiert Leid der Tiere

Auf der Speisekarte seines Restaurants stehen Gerichte wie die "Three Sister Soup" – eine Suppe aus den "drei Schwestern" Mais, Bohnen und Kürbis –, Kiefernnadeln- und Zitronensorbet, Wildreis, Geflügel- und Wildgerichte wie Fasan und Wapitihirsch und eben das Robbenfleisch-Tartar: Das findet sich in der Vorspeise "Arktisches Trio" bestehend aus Lachs, geräuchertem Arctic Char und Robben-Tartar mit Bannock, einem Brot der Ureinwohner, und Wachtelei.

Nachdem das Gericht Anfang Oktober in einem Gastronomiemagazin erwähnt worden war, kam es zur Petition. In ihr wird "Ku-kum" aufgefordert, das Tartar von der Speisekarte zu nehmen. Das Fleisch stamme nicht aus indigener, sondern aus kommerzieller Robbenjagd und diese sei "gewalttätig, traumatisierend und unnötig".

"Überall ist Blut" und die Tiere litten, kritisierte Jennifer Matos, die Initiatorin der Petition. Daraufhin startete eine indianische Künstlerin in Toronto, Aylan Couchie, eine Gegenpetition. Sie ärgerte sich vor allem über negative Bewertungen des Restaurants auf diversen Internetseiten, die das Potenzial haben, "Ku-kum" zu schädigen. Sie wirft Kritikern vor, den indigenen Völkern ihre "unreflektierten Werte" überstülpen zu wollen. Sie fragt, warum ein kleines indigenes Restaurant attackiert werde, während Hunderte andere Restaurants in Toronto Fleisch servieren.

Befürworter der Robbenjagd sprechen von Heuchelei

Verteidiger der Robbenjagd werfen der Gegenseite Heuchelei vor, da viele, die gegen die Jagd protestierten, bedenkenlos Steaks, Hamburger und Kalbfleisch verzehrten, sich über Blut auf dem Eis aufregten, aber nie einen Schlachthof besucht hätten und sich keine Gedanken über Schlachtviehtransporte und die Ängste der Tiere in den Schlachthöfen machten.

Er habe sich seinen Lieferanten sehr sorgfältig ausgesucht, und die Jagd auf Robben sei heute nicht mehr das, was sie vor einigen Jahrzehnten war, sondern werde von den Behörden reguliert, sagt Joseph Shawana. Er will weiter mit seinem Restaurant die gastronomische und kulinarische Seite der indigenen Kultur zeigen, die weit mehr als Robben beinhalte, sondern viele andere Gerichte. "Ich möchte meine eigene Geschichte auf den Teller zeichnen, so wie ein Maler auf Leinwand malt", sagt er. Bislang scheint ihm die Kontroverse noch nicht geschadet zu haben. "Ku-kum" sei für die nächsten zwei Wochen ausgebucht, sagt er dem kanadischen Rundfunk CBC.

Ressort: Panorama

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 18. Oktober 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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