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Pro & Contra

Ist die Sommerzeit eine gute Idee?

Bernward JanzingThomas Steiner
  • &

  • Sa, 24. März 2018, 18:30 Uhr
    Panorama

Steigt mit der Sommerzeit die Lebensqualität und sollte daher erhalten bleiben? Oder ist die Zeitumstellung zweimal im Jahr doch nur eine Zumutung – und sollte daher abgeschafft werden?

Zeitumstellung: ja oder doch eher nein? Foto: M. Schuppich  (stock.adobe.com)
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Pro Zeitumstellung

Energiesparen als Argument für die Sommerzeit – das ist heute Kokolores. Früher war das anders. Weil durch das zusätzliche Tageslicht am Abend Strom gespart wurde, war die Zeitumstellung einst energiepolitisch attraktiv. Heute hingegen liefert erstens die LED-Technologie hocheffizient Licht, und zweitens ist durch die vielen neuen Stromverbraucher im Haus die Beleuchtung für die Stromrechnung kaum noch relevant. In der heutigen Freizeitgesellschaft muss man sogar davon ausgehen, dass helle Sommerabende zusätzlichen Energieverbrauch provozieren – weil die Leute mehr unterwegs sind, oft mit dem Auto. Ein Land, das Energie sparen will, muss sich etwas anderes überlegen als an der Uhr zu drehen.

Doch Energiepolitik hin oder her – die Sommerzeit ist trotz allem eine schöne Errungenschaft, weil die zusätzliche Stunde Tageslicht am Abend Lebensqualität bedeutet – beim Sport, in der Freizeit, im Garten. Wer sich gerne in der Natur aufhält, dürfte die Sommerzeit sehr vermissen, würde sie abgeschafft. Um sich das mal vor Augen zu halten: Im südbadischen Juli würde es ohne Zeitumstellung schon um neun Uhr dunkel, im Spätsommer bereits um halb acht.

Schlaumeier haben daher vorgeschlagen, die Sommerzeit das ganze Jahr über währen zu lassen. Ein bizarrer Gedanke. Dann wäre es im Dezember morgens um halb neun noch dunkel. Will das jemand?

Kurzum: Die Forderung, die Zeitumstellung abzuschaffen, ist zum großen Teil Aktionismus (mit Ausnahme vielleicht der Landwirtschaft, die ihren Tieren die Umstellung einfach nicht erklären kann). Letztlich ist die Frage der Sommerzeit eine Abwägung zwischen Aufwand (zweimal im Jahr den Biorhythmus umstellen) und Nutzen (eben den langen Abenden). Menschen nehmen heute selbst für kurzzeitige Urlaubsreisen Zeitverschiebungen von vielen Stunden in Kauf. Bringt man es auf diese Ebene, ist eine Umstellung von einer Stunde nicht mehr als der Jetlag einer Reise nach England – keine schlechte Investition für einen ganzen Sommer voll langer Abende. Daher sei eine Prognose gewagt: Würde man die Sommerzeit streichen, begänne unmittelbar die Diskussion über ihre Wiedereinführung. Weil plötzlich alle erkennen, was sie verlieren.

Contra Zeitumstellung

Da ist schon jedes halbe Jahr diese Frage: Vorstellen oder zurückstellen? Was muss man mit den Uhren tun, die es alleine nicht schaffen? Ist es wegen der Zeitumstellung in der Nacht statt zwei Uhr ein Uhr geworden – oder statt zwei Uhr drei Uhr? An diesem Wochenende muss man die Zeiger vorstellen. Aber warum? Die Abende werden länger, wieso lassen wir dann eine Stunde aus?

Doch selbst wenn man das Kopfzerbrechen sein lässt und einfach dem folgt, was in der Zeitung steht, die Umstellung ist und bleibt eine Zumutung. Da hat der Frühaufsteher, der sich morgens auf den Weg zur Arbeit machen oder die Kinder in die Schule schicken muss, gerade gefreut, dass es nun endlich, nach dem langen Winter, morgens schon hell ist, was die Laune deutlich hebt. Und was passiert? Der Sonnenaufgang wird um eine Stunde verschoben. Tritt man vor die Türe, ist es wieder dunkel.

Warum wird da eine langsame organische Entwicklung abrupt unterbrochen? Ökonomische Rationalität war einst der Grund, dass die Sommerzeit eingeführt wurde. Energie sollte gespart werden an langen Abenden. Einmal mehr wurde das Leben dem Effizienzdenken unterworfen.

Höchste Zeit, dass das wieder umgestellt wird. Nicht nur, weil das mit dem Spareffekt doch nichts ist. Sondern auch, weil die innere Uhr bei vielen Menschen durch die Zeitumstellung durcheinander gebracht wird. Vor einigen Jahren hat ein Autofahrerverband anhand der Statistiken gezeigt, dass die Zahl der Verkehrsunfälle in den Tagen nach der Umstellung steigt. Die eher aus dem Bett gestiegenen Menschen sind noch müde. Und in fast jeder zweiten Familie, so teilt jetzt eine Krankenkasse mit, haben laut einer Umfrage die Kinder nach der Zeitumstellung Probleme beim Einschlafen und Aufstehen.

Das muss doch nicht sein. Genauso wenig wie die regelmäßige Depression, welche sensible Menschen erfasst, wenn im Herbst wieder die Zeit – nach vorne, nach hinten? – umgestellt wird. Dann wird es schlagartig schon am späten Nachmittag dunkel. Statt dass man sich auf die kommende Winterzeit und auf Rückzug hätte einstellen können, wird man dazu verdonnert. Das ist unnatürlich und unnötig.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 24. März 2018: PDF-Version herunterladen

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