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Zuschuss für Lehrlinge

Land unterstützt Azubis in heimatfernen Berufsschulen

Franz Schmider

Von

Sa, 12. November 2016 um 00:00 Uhr

Südwest

Das Land Baden-Württemberg unterstützt ab sofort Auszubildende, die eine Berufsschule fern des Wohnorts besuchen müssen. Pro Tag gewährt das Land 36 Euro Zuschuss.

Gärtnerlehrling bei der Arbeit  | Foto: Patrick Pleul
Gärtnerlehrling bei der Arbeit Foto: Patrick Pleul
Auszubildende, die eine Berufsschule außerhalb besuchen müssen, haben seit Beginn des neuen Schul- und Ausbildungsjahres einen Rechtsanspruch auf Übernahme der Kosten für Unterbringung und Verpflegung. Pro Tag gewährt das Land 36 Euro Zuschuss, die Landesregierung hat hierfür zusätzlich 18,5 Millionen Euro bereitgestellt. Das Land kommt damit einer Verpflichtung durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes nach.

Betroffen von der Neuregelung sind in erster Linie die Besucher von Landes- und Bezirksfachklassen. Dabei handelt es sich um schulische Angebote in solchen Berufen, die nicht an allen Berufsschulen angeboten werden können, weil die Mindestgröße pro Klasse von 16 Schülern nicht erreicht wird. Deshalb werden zum Beispiel Papiermacher in Gernsbach unterrichtet und Pferdewirte in Münsingen, Mediengestalter in Stuttgart, Schornsteinfeger in Ulm und Landmaschinentechniker in Breisach – wobei sich Standorte auch verändern können.

Von den 328 anerkannten Ausbildungsberufen in Deutschland bietet Baden-Württemberg immerhin für mehr als 250 eine schulische Begleitung an. Für alle weiteren gibt es eine bundesweite Arbeitsteilung. Ist die Nachfrage in einem Land zu gering, werden sie in einem anderen als Bundesfachklassen angeboten. Wie viele solcher Klassen an welchen Standorten es gibt, ändert sich nach Angaben des Kultusministeriums ständig je nach Berufswahl der Schulabgänger.

Der Unterricht in solchen Bundes-, Landes- oder Bezirksfachklassen findet in Form von Blockunterricht statt. Das bedeutet, dass ein Teil der Auszubildenden auswärts wohnen muss. Für das laufende Schuljahr rechnet das Land mit 13 000 betroffenen Schülerinnen und Schülern, die einen Anspruch auf einen Zuschuss haben. Der liegt pro Tag bei 36 Euro für Wohnen und Essen. "Mit dieser Entscheidung stärken wir die Attraktivität der beruflichen Ausbildung", erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). "Unser bewährtes duales Ausbildungssystem soll möglichst vielen Schülerinnen und Schülern offenstehen." Sie sei froh, "dass wir diese Hürde nun beseitigt haben".

Der Schritt erfolgte indes nicht allein aus eigenem Antrieb. Bisher gewährte das Land nur einen freiwilligen Zuschuss, den die alte Landesregierung im März von sechs auf zwölf Euro pro Tag angehoben hatte. Da lief indes bereits ein Prozess gegen das Land. Geklagt hatte ein heute 22 Jahre alter Gärtnerlehrling aus Reutlingen. Er sah sich benachteiligt, weil in seinem Landkreis keine Fachklasse zustande gekommen war und er auswärts wohnen musste.

Er machte für 178 Tage Blockunterricht in drei Jahren knapp 4000 Euro geltend, die er selbst hatte aufbringen müssen, vor allem für die Unterbringung in einem Wohnheim. Sowohl das Verwaltungsgericht Stuttgart als auch – im Juni 2016 – der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gaben dem Mann Recht.

Darin heißt es, "das beklagte Land ist dem Grunde nach verpflichtet, die dem Kläger entstandenen Mehrkosten zu erstatten". Der Auszubildende muss einen angemessenen Teil der Lebenshaltungskosten selbst tragen, den Rest muss das Land übernehmen. Nach Angaben des Kultusministeriums liegt der durchschnittliche Tagessatz für die Unterbringung in einem Wohnheim bei 36 Euro.

Die für Ausbildungsfragen zuständige Geschäftsführerin der IHK Hochrhein-Bodensee, Alexandra Thoß, erwartet von der Neuregelung "eine deutliche Entlastung vor allem für kleinere Betriebe wie auch für die Auszubildenden". Zum Teil haben sich Ausbildungsbetrieb und Lehrling die Kosten geteilt, meist aber mussten die Azubis allein aufkommen. Für Simon Kaiser von der IHK Südlicher Oberrhein ist die Neuregelung auch deshalb nötig, "weil die Zahl überregionaler Fachklassen steigt und weiter steigen wird". Denn es gebe mehr Berufe bei gleichzeitig weniger Schülern. Speziell im ländlichen Raum führe diese zu einem Konzentrationsprozess. "Würde dieser Prozess nicht durch Mobilitätshilfen flankiert, brächen Nischenberufen auf einen Schlag die Bewerber weg." Thoß mahnte zudem eine Regelung für die Altfälle an, andernfalls drohe eine Klagewelle.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte den Beschluss. "Damit ist eine Hürde genommen, vor die Auszubildende bisher gestellt waren, an deren Wohnort die passende Berufsschule gefehlt hat", erklärte die stellevertretene DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf.

Ressort: Südwest

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Sa, 12. November 2016:
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