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Migration

Bundesregierung will Infrastruktur auf Balkan verbessern

Rolf Obertreis
  • Mo, 20. März 2017, 09:00 Uhr
    Wirtschaft

Die Staatsbank KfW gibt Kredite für die Sanierung der Infrastruktur auf dem Balkan – auch um Menschen vom Auswandern abzuhalten. Einblicke in Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien.

Wasserkraftwerk Rama Foto: oBERTREIS
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2016 sind deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Massiv rückläufig war auch die Zahl der Menschen, die die Balkanländer verlassen haben. Sie stellen nur noch eine Minderheit der Geflüchteten. Im Dezember vergangenen Jahres wurden an den deutschen Grenzen nur noch 700 Albaner registriert, ein Jahr zuvor waren es noch 1800. Der Grund: Menschen aus den Balkanstaaten haben in Deutschland kaum Aussichten, als Asylbewerber anerkannt zu werden.

Ihre Staaten gelten für die Bundesregierung als sichere Herkunftsländer, einige streben in die EU. Auch deshalb wurden im ersten Halbjahr 2016 rund 3700 Albaner abgeschoben, außerdem rund 500 Bosnier und 150 Montenegriner. Um so wichtiger ist es, den Menschen vor Ort Perspektiven zu eröffnen. Die KfW-Entwicklungsbank kümmert sich im Auftrag der Bundesregierung darum. Einblicke in Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien.

Bosnien-Herzegowina

An diesem Tag sind es nur Wolken und Nebel. Aber oft ist Sarajevo, die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, von Smog eingehüllt. "Im vergangenen Winter sind wir wochenlang mit Mundschutz herumgelaufen. Während der Heizperiode gilt Sarajevo als eine der schmutzigsten Städte der Welt", sagt Matthias Schmidt-Rosen, Büroleiter der KfW-Entwicklungsbank in der 275 000 Einwohner-Stadt. 22 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges ist in der Stadt auf 500 Metern Meereshöhe – eingeklemmt zwischen bis zu 1500 Metern hohen Bergen – sehr viel wieder aufgebaut. Moderne Gebäude säumen die Straße vom Flughafen in die Stadt. In der Altstadt pulsiert das Leben. Aber die Spuren des Krieges sind unübersehbar: Zerschossene Häuser, Einschusslöcher an vielen Gebäuden, rund um die Stadt an den Hängen liegen Tausende von Minen.

Es hapert vor allem mit der Infrastruktur. "Sie ist in vielen Fällen marode oder immer noch nicht wieder hergestellt. Das gilt für die Wasser- und Abwasserversorgung. Im ganzen Land gibt es so gut wie keine funktionstüchtige Kläranlage", sagt Schmidt-Rosen. Die Wasserverluste in Sarajevo liegen bei 80 Prozent, nachts wird das Wasser ganz abgestellt. Nicht nur in der Hauptstadt heizen die Menschen mit Holz. Kohlekraftwerken fehlen Schwefelfilter, Wasserkraftwerke sind veraltet. Trotz weiter bestehender schwerer politischer Probleme zwischen Bosniern, Serben und Kroaten strebt das Land in die EU. Dafür muss die Infrastruktur Mindestbedingungen erfüllen.

Aber bessere Lebensbedingungen sind auch notwendig, um die vielen Ausreisewilligen zu bewegen, im Land zu bleiben. Hier kommt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ins Spiel. Seit 1999 ist sie im Auftrag der Bundesregierung in Bosnien aktiv und stemmt derzeit Projekte im Volumen von fast 380 Millionen Euro.

Beispiel 1: 40 Jahre lang wurde das Wasserkraftwerk Rama in den Bergen zwischen Sarajevo und Mostar nicht erneuert. Jetzt freut sich Kraftwerksdirektor Ivan Jelic, dass Turbinen und Generatoren modernisiert und zwei Trafos ausgetauscht wurden. "Ohne den Zuschuss der deutschen Regierung von sieben Millionen Euro und das Darlehen der KfW von zehn Millionen hätten die wir das nicht realisieren können". Drei Millionen habe der bosnische Staat beigesteuert. "Jetzt ist der Betrieb für weitere 30 Jahre gesichert", sagt Jelic.

Beispiel 2: In Mostar steht Goran Kajic in seiner kleinen "Fabrik". Fabrik ist ziemlich hochtrabendes Wort für ein einfaches Gebäude hinter Kajics Wohnhaus. Würste und frisch geräucherter Schinken hängen sauber aufgereiht unter der Decke. Der groß gewachsene, kräftige 36-Jährige, der mehrere Jahre in Hamburg und in einem Fleischverarbeitungsbetrieb in Mostar gearbeitet hat, beliefert mittlerweile 120 Läden. "Das Geschäft läuft gut", sagt er auf Deutsch. Die KfW hat ihm den Weg in die Selbständigkeit ermöglicht. Sie stellt Mikrobanken in Bosnien über den von ihr 2005 aufgelegten europäischen Fonds für Südosteuropa Finanzmittel bereit, die in Form von Kleinkrediten an Leute wie Kajic weitergegeben werden. Er hat mittlerweile den dritten Kredit in Anspruch genommen. Zunächst waren es gut 1000 Euro, aktuell sind es rund 3500 Euro. Eine Waage und eine Schneidemaschine hat er sich gekauft, jetzt ein Grundstück. Seine "Fabrik" ist schon jetzt zu klein, er möchte erweitern. Kajic will in Mostar bleiben, in seiner Heimat.

Das zu erreichen ist eines der Ziele, die mit den Kleinkrediten erreicht werden sollen. Aber ist die Wirkung überschaubar. 80 000 junge Menschen haben Bosnien 2015 verlassen, viele Richtung Deutschland. Bis Mitte 2016 waren es schon wieder 60 000. Dabei haben sie keine Aussicht auf Asyl.

Montenegro

Seit zehn Jahren ist das kleine Land an der Adria – nicht einmal so groß ist wie Schleswig-Holstein – unabhängig. Gerade mal 620 000 Menschen leben in Montenegro. Das Land strebt in die EU, hat den Euro als offizielle Währung eingeführt. Aber der Weg bis zur Mitgliedschaft ist weit. Die Touristen, die mit großen Kreuzfahrtschiffen in die Bucht von Herceg Novi bei Dubrovnik einlaufen und die malerische Kulisse bewundern, bekommen beispielsweise nicht mit, dass das zum Weltkulturerbe erklärte Städtchen erst seit dem Sommer über eine Kläranlage verfügt.

"Es ist die erste im ganzen Land", sagt Zeljko Uljarevic, Leiter des KfW-Büros in der Hauptstadt Podgorica. "Für die Entwicklung des Tourismus ist die Anlage extrem wichtig genau wie eine gute Wasser- und Abwasserversorgung." Und eben auch für Arbeitsplätze und damit die Zukunft der Menschen. Seit 2001 werden Wasser- und Abwassersysteme in Montenegro mit deutscher Hilfe saniert. Allein für die Kläranlage wurden Zuschüsse und zinsgünstige Kredite von insgesamt 15 Millionen Euro bereitgestellt.

Albanien

Hoch über der Stadt Lezhe steht Zef Maci, der Direktor des Wasserwerks, auf der Baustelle für zwei große, jeweils 3000 Kubikmeter fassende Wassertanks. Einer ist fertig, für den zweiten wird gerade die Betonhülle gegossen. 15 000 Einwohner zählt die albanische Kommune 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tirana. Sie und weitere 25 000 Menschen in fünf Dörfern der Umgebung profitieren von den beiden Wasserspeichern, deren Bau zehn Millionen Euro kostet. 3,1 Millionen steuert die KfW über einen zinsgünstigen Kredit bei. "Bis auf wenige Ausnahmen gibt es fließendes Wasser im ganzen Land nur wenige Stunden am Tag, auch in Tirana. Leitungen und Anschlüsse sind an vielen Orten marode", sagt KfW-Landesdirektor Björn Thies.

In Lezhe werden zusammen mit den Wasserspeichern 180 Kilometer Leitungen verlegt und saniert, Wasserzähler installiert und Häuser angeschlossen, so dass Wasser 24 Stunden am Tag bereitsteht. Allein könnten die Kommune und das Wasserwerk die Investition nicht stemmen. Allerdings muss Maci nachweisen, dass sein Unternehmen Kostendeckung anstrebt, die Wasserqualität erhöht und die Verluste eindämmt. Davon ist er noch weit entfernt. Das Wasserwerk ist defizitär, an den Anschlüssen rinnt unablässig Wasser auf den Boden.

Schon seit 1988 arbeitet die KfW in Albanien. 850 Millionen Euro wurden seitdem für Infrastruktur-Projekte bereitgestellt.

Ohne eine Basisversorgung in diesen Bereichen kann sich eines der ärmsten Länder Europas kaum entwickeln. Das Land hat rund 2,9 Millionen Einwohner, der Durchschnittslohn liegt bei 380 Euro im Monat. Die Unterstützung aus Deutschland soll auch helfen, die Zahl der Flüchtenden aus Albanien einzudämmen. 2015 stellten Albaner mit rund 54 800 nach Syrern die meisten Asylanträge in Deutschland. Von Januar bis September vergangenen Jahres waren es nur noch 14 400. Hauptgrund: Albaner haben in Deutschland kaum Chancen auf Asyl. Wie Bosnien und Montenegro gilt Albanien seit Oktober 2015 als sicheres Herkunftsland.

Umso wichtiger ist die Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort – etwa für Antoneta in Tirana. Die 20-Jährige studiert Betriebswirtschaft, sie wohnt in einem der tristen Studentenwohnheim in der Hauptstadt Tirana. Die Zimmer sind spartanisch eingerichtet, wirken wie eine Gefängniszelle. Mietpreis: 35 Euro im Monat. Seit dem Bau 1958 wurde nichts erneuert, die Heizung streikt. "Wir sorgen mit unseren Elektrokochern für etwas Wärme", sagt Antoneta, auch wenn sie weiß, dass das gefährlich und verboten ist.

Beim Besuch in Tirana 2015 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Unterstützung für die Sanierung zugesagt, die KfW steuert 4,5 Millionen Euro bei. Im Frühjahr solle mit den Arbeiten begonnen werden, sagt KfW-Vertreter Thies. Die Sanierung soll den jungen Leuten das Studieren erleichtern, für ein wenig Komfort sorgen. – und sie ermuntern im Land zu bleiben. "I would like to stay", sagt Antoneta. Sie würde gerne in Albanien bleiben.

(Der Autor war auf Einladung der KfW in den drei Ländern unterwegs. Er hat sich an den Reisekosten beteiligt.)

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Ressort: Wirtschaft

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