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"Es kostet viel Mühe"

  • Fr, 05. Januar 2018
    Neues für Kinder

BZ-INTERVIEW mit der Cellistin Sol Gabetta über die Lust und Unlust des täglichen Übens.

Die Cellistin Sol Gabetta   | Foto: Marco Borggreve
Die Cellistin Sol Gabetta Foto: Marco Borggreve
Toll, wenn man Flöte oder Cello spielen kann. Leider braucht es dafür Übung – und das kann nerven. Sol Gabetta (36) gehört zu den bekanntesten Cellistinnen der Welt. Im Interview erzählt sie Stephanie Streif, wie sie auf das Cello gekommen ist und wie viel sie als Kind üben musste.

BZ: Menschen werden Lehrer oder Polizist. Aber wie kommt man auf die Idee, Musikerin zu werden?
Gabetta: Schon als Kind war ich von Musik umgeben. Ich war in einem Musikkindergarten, in dem wir täglich ein, zwei Stunden gesungen haben. Das Singen war für uns ganz selbstverständlich. Wir haben gemalt, gebastelt, gespielt und eben auch gesungen. Auch zu Hause habe ich viel Musik gehört, denn meine Mutter war Pianistin. So kam die Musik ganz natürlich in mich hinein. Als Kind habe ich die Musik auch in meine Spiele eingebaut, zum Beispiel indem ich mir aus kleinen Keramikfiguren einen eigenen Chor aufgebaut habe, mit dem ich, die Chorleiterin, tägliche Proben abgehalten habe.
BZ: Und mit wie vielen Jahren haben Sie angefangen, Cello zu spielen?
Gabetta: Mit viereinhalb. Ich hatte davor aber schon Geige gelernt. Als ich zweieinhalb Jahre alt war, wollte ich das unbedingt, vermutlich weil mein älterer Bruder auch Geige gespielt hat. Im Alter von acht Jahren habe ich dann aufgehört, Geige zu spielen. Ich hatte eine super Cellolehrerin. Außerdem fiel es mir leicht, Cello zu lernen. Anfangs, als ich noch gar nicht wusste, wie das Cello funktioniert, habe ich Melodien, die ich schon kannte, einfach mit einem Finger nachgespielt. Also ohne Bogen. Toll war, dass ich mit dem Cello schnell Fortschritte gemacht habe. Das hat mich motiviert.
BZ: Jetzt mal ehrlich: Hat Ihnen das Üben immer Spaß gemacht?
Gabetta: Natürlich gab es Momente, in denen ich keine Lust hatte. Aber ich habe es auch immer genossen, mit dem Cello voranzukommen. Und mir war schon als Kind klar, dass ich das nur schaffe, wenn ich jeden Tag übe. Das Üben hat zu meinem Tag dazugehört wie Essen, Spielen, Schlafen. In der Schulzeit habe ich nachmittags geübt und in den Ferien morgens, im Alter von neun Jahren bis zu drei Stunden. Manchmal haben meine Freundinnen vor der Tür gewartet, bis ich fertig war. Aber auch sie wussten: Sol muss erst üben, dann hat sie Zeit zum Spielen.
BZ: In manchen Familien fliegen die Fetzen, weil das Kind üben soll, aber keine Lust hat. Lässt sich das lösen?
Gabetta: Meine Eltern haben nicht von mir verlangt, ein Instrument zu lernen. Ich konnte mich frei entscheiden, was ich neben der Schule sonst noch machen möchte. Meinen Eltern war allerdings sehr wichtig, dass ich das, wofür ich mich entschieden habe, auch richtig mache. Vielleicht ist das der Schlüssel: Kinder müssen den Spaß am Üben selber entwickeln. Das ist sehr schwer. Von alleine kommt kaum ein Kind auf die Idee, Geige oder Cello zu üben. Das war auch bei mir so. Aber meine Mutter hat sich immer zu mir gesetzt, um mit mir zu üben, oder auch nur um zuzuhören. Ich wollte das so. Und sie hat sich die Zeit genommen.
BZ:
Wie merkt man als Kind, dass ein Instrument zu einem passt?
Gabetta: Ein Kind merkt, ob es mit einem Instrument vorwärts kommt oder nicht. Es muss, so glaube ich, mit seinem Instrument eine Leichtigkeit erleben. Sonst wird das Üben zum Kampf. Ich denke, der Mensch neigt dazu, Dinge ganz schnell haben zu wollen – am besten ohne Arbeit. Das geht Kindern so, aber auch vielen Erwachsenen. Nur – es kostet immer viel Zeit und Mühe, etwas richtig gut zu lernen. Dabei haben Kinder es noch gut, denn sie lernen viel schneller als Erwachsene.

Ressort: Neues für Kinder

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 05. Januar 2018: PDF-Version herunterladen

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