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BZ-Interview

Alex Bernett, Deutsche Bundesbank: "In Deutschland liebt man das Bargeld"

Jörg Buteweg
  • Do, 26. November 2015
    Wirtschaft

Von Freiburg aus werden Euro bis nach Russland geschafft, denn die Russen misstrauen dem Rubel. Die Deutschen hingegen horten Euro, so wie sie früher D-Mark gehortet haben.

Axel Bernett Foto: buteweg
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BZ: Herr Bernett, der neue 20-Euro-Schein ist da. Wie kommt er zu den Verbrauchern?
Bernett: Die Bundesbank speist den neuen Schein in den Bargeldkreislauf ein.
BZ: Wie habe ich mir diesen Kreislauf vorzustellen?
Bernett: Die Geschäftsbanken in Südbaden fordern bei uns Bargeld an, um ihre Kassen und Geldautomaten zu bestücken. Dieses Geld wird von Geldtransportunternehmen zu den Banken und Sparkassen gebracht. Da ist jetzt der neue 20-Euro-Schein dabei.
BZ: Und was passiert mit dem alten 20-Euro-Schein?
Bernett: Der Geldkreislauf ist ja noch nicht geschlossen. Die Bankkunden holen Geld, sei es an der Bankkasse oder am Geldautomaten, und geben es im Handel wieder aus. Der Handel – zumindest die größeren Einzelhändler - lassen das Bargeld aus ihren Kassen wiederum von Geldtransportunternehmen abholen und zur Bundesbank-Filiale bringen. Hier in der Filiale wird es sortiert und geprüft. Die einzelnen Beträge werden den Händlern dann gutgeschrieben.
BZ: Die haben Konten bei der Bundesbank?
Bernett: Nein, wir leiten die Beträge auf die Konten der Einzelhändler bei ihren Hausbanken weiter. Die Bundesbank führt weder Konten für Wirtschaftsunternehmen noch für Privatpersonen.
BZ: Was habe ich mir unter Prüfung der Banknoten vorzustellen?
Bernett: Die Scheine werden hier in der Filiale auf Echtheit geprüft und Falschgeld ausgesondert. Das Risiko dafür trägt übrigens der einliefernde Händler, nicht die Bundesbank. Falschgeld übergeben wir dann der Polizei. Daneben werden schmutzige und beschädigte Scheine aussortiert. Und schließlich wird der alte 20-Euro-Schein ausgesondert – wie auch die wenigen alten 5- und 10-Euro-Scheine, die noch im Umlauf sind.
BZ: Was passiert mit den aussortierten Scheinen?
Bernett: Die werden automatisch geschreddert.
BZ: Um welche Summen handelt es sich da?
Bernett: Über Summen kann ich aus Sicherheitsgründen nicht sprechen. Hier in der Filiale werden auf unseren beiden Maschinen pro Arbeitstag im Schnitt eine Million Geldscheine geprüft. Rund fünf Prozent davon werden geschreddert. Der Rest wandert wieder in den Bargeldkreislauf.
BZ: Lässt wirklich jeder Einzelhändler sein Bargeld zur Bundesbank bringen?
Bernett: Die kleineren Einzelhändler, Bäcker, Metzger oder Wirte bringen ihr Bargeld in der Regel zu ihrer Bank; ein Teil davon fließt von dort zu uns. Die Geschäftsbanken haben aber inzwischen auch Einzahlungsautomaten, die Falschgeld erkennen. Das dort eingehende Bargeld können die Kreditinstitute gleich wieder in ihren Kassen oder Geldautomaten verwenden. Die Banken und Sparkassen wickeln auf diese Art inzwischen gut ein Drittel des Bargeldrecyclingskreislaufs ab, zwei Drittel gehen über die Bundesbank.
BZ: Wo wird denn das meiste Geld abgehoben?
Bernett: An den Geldautomaten, mit steigender Tendenz. Ältere Kunden gehen aber traditionell eher noch an den Bankschalter. Nach der Stückzahl der Barabhebung gehen fast 92 Prozent über die Geldautomaten. Wertmäßig, also in Euro gerechnet, liegt der Anteil der Barabhebungen am Schalter aber immerhin bei 43 Prozent.
BZ: Dient das Bargeld ausschließlich dem Einkauf?
Bernett: Nein. Das ist sogar der kleinere Teil. Die Bundesbank hat rund 540 Milliarden Euro an Bargeld ausgegeben seit der Einführung des Euro-Bargelds 2002. Nach unseren Untersuchungen dienen nur zehn bis 15 Prozent dem Einkauf. Zwischen 10 und 30 Prozent werden im Inland gehortet, 65 bis 70 Prozent der Summe werden im Ausland gehalten?
BZ: Wie kommt das?
Bernett: Das hat ganz unterschiedliche Gründe: Die Schweizer Nachbarn beispielsweise nutzen Euro für den Einkauf in Südbaden. Wie wichtig das ist, konnte man am 15. Januar sehen, als die Schweizerische Nationalbank die Stützung des Frankenkurses beendete. Der Kurs des Franken schoss in die Höhe und bei uns schoss die Nachfrage nach Bargeld in die Höhe. Viele Schweizer haben sich mit Euro eingedeckt nach dem Motto: So billig wird es nie wieder.
BZ: Dieses Geld wandert dann über den Einzelhandel zurück.
Bernett: Ja, das kommt wieder zu uns. Aber ein Gutteil des Bargeldes, das in der Bundesbank-Filiale Freiburg ausgegeben wird, fließt nicht hierher zurück. Wir versorgen nämlich einige Schweizer Großbanken, die im internationalen Sortenhandel tätig sind, mit Euro-Bargeld.
BZ: Kann man sagen, dass aus Freiburg weltweit Touristen mit Euro versorgt werden?
Bernett: Nicht nur aus Freiburg, aber wir spielen da durchaus eine gewichtige Rolle. Diese Euro gehen aber längst nicht nur an Touristen. Wir versorgen über die Schweizer Banken und den Flughafen Zürich zum Beispiel auch Russland mit Euro.
BZ: Dort wird doch mit Rubel bezahlt.
Bernett: Zur eigenen Währung haben die Russen offenbar nur begrenztes Vertrauen. Jedenfalls ist die Nachfrage nach Euro dort hoch. Als Russland die Krim annektierte und die Ukraine-Krise ausbrach, ist die Nachfrage nach Euro in Russland sprunghaft gestiegen.
BZ: Ich dachte, der Dollar sei die Weltwährung.
Bernett: Das ist sicherlich auch so. Aber in Europa ist der Euro die wichtigste Währung. Auch auf dem Balkan spielt der Euro eine große Rolle als Parallelwährung. Das war dort ja schon zu D-Mark-Zeiten so.
BZ: Aber auch Bundesbürger horten Bargeld – aus Angst?
Bernett: Über die Motive können wir naturgemäß nur spekulieren. Ich kann aber an unseren Zahlen ablesen, dass die Turbulenzen um Griechenland im Sommer keinen Einfluss hatten auf die Bargeldnachfrage in der Region.
BZ: In der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank 2008 ist die Nachfrage nach Bargeld stark gestiegen.
Bernett: Ja. Damals waren vor allem die großen Scheine gefragt. Und das deutet natürlich darauf hin, dass es ums Horten ging und nicht ums Einkaufen. Grundsätzlich gilt: In Deutschland liebt man das Bargeld. Deswegen wird die Bundesbank auch keine Bestrebungen unterstützen, es abzuschaffen. Ob es sinnvoll ist, größere Bargeldbestände zu Hause zu haben, steht auf einem anderen Blatt. Tatsache ist, Deutsche horten Bargeld. Das war schon zu D-Mark-Zeiten so. Heute, fast 14 Jahre nach Einführung des Euro-Bargeldes, liegen in Deutschland, aber auch im Ausland, immer noch 6,1 Milliarden Mark in Scheinen und 6,8 Milliarden Mark in Münzen irgendwo herum – die man übrigens in der Bundesbank-Filiale kostenlos in Euro tauschen kann.

Axel Bernett (58) leitet die Freiburger Bundesbank-Filiale seit 2012. Er arbeitet seit 38 Jahren für die Bundesbank.

Bundesbank-Filialen

Die Bundesbank hat über das Bundesgebiet verteilt 35 Filialen. Sie versorgen die jeweilige Region mit Bargeld. Die Filiale in Freiburg ist für Südbaden zuständig. Ihr Einzugsgebiet reicht von der Ortenau im Norden bis zum Hochrhein und in den Schwarzwald. Die umliegenden Bundesbank-Filialen sind Karlsruhe im Norden und Villingen-Schwenningen im Osten. In Freiburg sind 57 Mitarbeiter beschäftigt.

Falschgeld

Großereignisse wie Weihnachtsmärkte gehören zu den beliebtesten Gelegenheiten der Fälscher, ihre Waren unter die Leute zu bringen. Insgesamt ist das Risiko, Falschgeld angedreht zu bekommen, in Deutschland allerdings nicht groß. "Rein statistisch muss man 833 Jahre alt werden, um einmal im Leben mit Falschgeld in Berührung zu kommen", sagt der für Bargeld zuständige Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 26. November 2015: PDF-Version herunterladen

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