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Oberlandesgericht München

Am falschen Auge operiert

  • dpa

  • Do, 12. Dezember 2019, 18:39 Uhr
    Panorama

Es ist eine Horrorvorstellung für Patienten: Sie wachen auf und stellen fest, dass ein falsches Körperteil operiert wurde. Einem Friseur ist das passiert, er kann seitdem nur noch schlecht sehen.

Der Kläger vor dem Münchner Oberlandesgericht   | Foto: Matthias Balk (dpa)
Der Kläger vor dem Münchner Oberlandesgericht Foto: Matthias Balk (dpa)

Früher habe er ohne Kontaktlinsen Fernsehen gucken oder mit seinem Kind spielen können – heute gehe das nicht mehr. Weil ein heute 37 Jahre alter Friseurmeister am falschen Auge operiert wurde, kann er nur noch schlecht sehen. Am Oberlandesgericht (OLG) München stritt er am Donnerstag um Schmerzensgeld und die Frage, ob der Operateur auch für künftige Schäden aufkommen muss.

2015 sollte der Friseurmeister wegen einer Hornhautverkrümmung am linken Auge operiert werden. Der Anästhesist klebte bei der Vorbereitung versehentlich das falsche Auge ab, was dem Operateur nicht auffiel, so dass er das gesunde Auge operierte. Dessen Sehkraft habe mit Kontaktlinsen vorher bei 90 Prozent gelegen, jetzt seien es ohne Hilfsmittel nur 10 Prozent, sagte der Kläger im Gericht. Mit Linsen komme er auf 50 Prozent.

Nach der Verhandlung beschrieb der Mann, wie er im Aufwachraum seine Augen betastete und dachte: "Das kann doch nicht sein." Der Arzt sei zu ihm gekommen und habe sich entschuldigt. "Aber was bringt das?" Zuerst habe ihm die Versicherung 2000 Euro angeboten.

Das Landgericht München hatte dem Patienten dagegen 70 000 Euro Schmerzensgeld und 21 000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Doch zum einen fordert der Mann 100 000 Euro Schmerzensgeld, zum anderen, dass die Versicherung des Arztes für zukünftige Schäden aufkommt – schließlich habe der 37-Jährige noch mindestens sein halbes Leben vor sich.

Kompliziert wird es bei der Entscheidung, was aus dem Ärztefehler folgt. Denn das erste Urteil des Landgerichts sei nicht klar formuliert, findet die Anwältin des Mannes, Claudia Thinesse-Wiehofsky. Auch die Richter des OLG ließen erkennen, dass sie das so sehen. Laut der Anwältin schreibt es fest, dass dem Mann weiteres Schmerzensgeld für nicht vorhersehbare Folgen des Eingriffs zustehe. Eine mögliche Erblindung sei aber im juristischen Sinne vorhersehbar. Das eingesetzte Hornhautimplantat habe eine Haltbarkeit von höchstens 30 Jahren. Niemand könne jedoch wissen, ob der Körper des dann 62-Jährigen danach ein weiteres Implantat annehme. Falls nicht, würde er erblinden, bekäme aber kein weiteres Geld, so die Anwältin.

Wie viele Behandlungsfehler es pro Jahr gibt, dazu gehen die Zahlen auseinander, eine offizielle Statistik existiert nicht. Schätzungen gehen von bis zu 100 000 Fällen pro Jahr aus. Die Bundesärztekammer kam für 2018 in ihrer Zählung auf 1499 Fehler, die medizinischen Dienste der Krankenkassen auf 3497. Doch die Dunkelziffer ist nach Expertenmeinung hoch.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat mehrfach ein bundeseinheitliches Zentralregister angemahnt. Darin müssten neben ärztlichen Behandlungsfehlern auch alle Fehler in der Pflege erfasst werden, betonte Vorstand Eugen Brysch. Die meisten Beschwerden gab es laut Ärztekammer nach Behandlungen von Knie- und Hüftgelenksarthrosen, Oberschenkelbrüchen und Bandscheibenschäden.

Eine Entscheidung in diesem Fall soll Mitte Januar erfolgen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 13. Dezember 2019: PDF-Version herunterladen

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