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Der harte Kern hält zum Rebellen

Frank Herrmann

Von

Mi, 19. Juni 2019

Ausland

Donald Trump ist seit zweieinhalb Jahren US-Präsident – doch er versteht sich noch immer als Anführer eines Aufstands gegen die Elite.

Trumps Masche, mal das eine, dann das ...rn seiner Anhänger hält weiter zu ihm.  | Foto: GREGG NEWTON (AFP)ANDREW CABALLERO-REYNOLDS
Trumps Masche, mal das eine, dann das andere zu behaupten (gerne per Twitter) würde andere Kandidaten ins Schleudern bringen. Ihm kann das offenbar nichts anhaben – der harte Kern seiner Anhänger hält weiter zu ihm. Foto: GREGG NEWTON (AFP)ANDREW CABALLERO-REYNOLDS
WASHINGTON. Diesmal ist alles um drei Nummern größer, alles akribisch organisiert. Im Juni 2015 fuhr Donald Trump auf einer Rolltreppe hinab ins Atrium seines New Yorker Wolkenkratzers, um seine Bewerbung fürs Weiße Haus zu verkünden und den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zu versprechen. Ein Teil des Publikums bestand aus Passanten, die man kurz zuvor auf der Fifth Avenue gefragt hatte, ob sie nicht zuschauen wollten. Fast auf den Tag genau vier Jahre danach wollte der Präsident in der Disneyland-Kapitale Orlando in einer Sportarena mit 20 000 Sitzplätzen auftreten, im Amway Center, wo sonst die Orlando Predators, die Orlando Solar Bears und Orlando Magic American Football, Eishockey beziehungsweise Basketball spielen. (der Auftritt fand in der Nacht auf Mittwoch deutscher Zeit statt und hatte bei Redaktionsschluss noch nicht begonnen).

Dass er, wie damals, einmal mehr die illegale Einwanderung am Rio Grande zu einem zentralen Thema machen würde, hatte er bereits zuvor in einem Tweet erkennen lassen. Nächste Woche, schrieb er, werde die Migrationsbehörde ICE damit beginnen, "Millionen" illegal Eingewanderter zu deportieren. "Sie werden so schnell entfernt, wie sie hereinkommen", fügte er hinzu, eine deutlich komplexere Realität auf einen typischen Trump-Satz reduzierend.

Vor vier Jahren, im Parterre seines Hochhauses, war er der ruppige Außenseiter, der lärmende Entertainer, anfangs belächelt, später verzweifelt bekämpft vom republikanischen Establishment. Auf Wahlkampfbühnen stellten ihn obskure Lokalgrößen vor, es dauerte eine Weile, bis sich mit Jeff Sessions, dem Südstaatler aus Alabama, der erste Senator fand, der ihn unterstützte.

Diesmal, wo immer er auftritt, wird die konservative Parteiprominenz des jeweiligen Bundesstaats herbeieilen, um Lobgesänge auf ihn anzustimmen. Damals wies er der überschaubaren Riege seiner bezahlten Helfer eine ungenutzte Ecke des Trump-Turms zu. Diesmal hat die Republikanische Partei für seinen Kampagnenstab eine ganze Etage in einem Hochhaus in Virginia gemietet.

So viel zum äußeren Rahmen, der nicht mehr so recht passen will zu einem, der sich noch immer als Anführer eines Aufstands gegen die Elite versteht. Nur hält das Trump nicht davon ab, nach wie vor den Rebellen zu geben, als residierte er selber nicht schon seit fast zweieinhalb Jahren im Weißen Haus. Dass ihn die Bürde des Amts mäßigen würde, diese Hoffnung ist längst passé. Nichts geändert hat sich an seiner Masche, Widersacher auf eine Art niederzumachen, die andere Kandidaten ins Schleudern bringen würde, ihm aber offenbar nichts anhaben kann. Zumindest nicht beim harten Kern seiner Anhänger, der weiter zu ihm hält.

Seinerzeit verhöhnte er "Little Marco" und "Lying Ted", Marco Rubio und Ted Cruz, um im Finale hundertfach zu wiederholen, dass "Crooked Hillary", die in seiner Karikatur ganovenhafte Hillary Clinton, hinter Gitter gehöre. Diesmal hat er sich auf "Sleepy Joe" eingeschossen, auf Barack Obamas Vizepräsidenten Joe Biden, dem er unterstellt, im Alter von 76 Jahren nur noch die Wirkung einer Schlaftablette zu entfalten. In Wahrheit sieht er in Biden einen Angstgegner, was seine aggressiven Attacken erst erklärt.

Da Obamas Stellvertreter trotz einer langen Karriere in der Hauptstadt einen Draht zur weißen Arbeiterschaft findet, könnte er dort punkten, wo Trump 2016 das Rennen für sich entschied. In Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin. In Rust-Belt-Staaten, in denen Clinton mit verunsicherten Wählern fremdelte, die einst für die Demokraten stimmten, dann aber überliefen zu einem Populisten, der wirtschaftlichen Nationalismus predigte und Schutz versprach, etwa Barrieren gegen Migranten, die ohne gültige Papiere über den Rio Grande kommen.

Elizabeth Warren, auch sie eine Rivalin, mit der Trump rechnen muss, ist in seiner Cartoon-Sprache "Pocahontas", nach der legendenumwobenen Häuptlingstochter des 17. Jahrhunderts, weil sie es eine Zeit lang so darstellte, als stamme sie direkt von Indianern ab, was den Fakten allenfalls ansatzweise entspricht. Ein Finalduell gegen Warren oder auch gegen Bernie Sanders, den linken Veteranen aus Vermont, sehne Trump förmlich herbei, sagt John Zogby, einer der erfahrensten Meinungsforscher der USA. In beiden Fällen könnte er die Sozialismuskeule schwingen. Er könnte die düstere Vision eines Landes entwerfen, das auf Zustände wie in Venezuela zusteuere. Er könnte, sagt Zogby, über seine Basis hinaus auch in der politischen Mitte Punkte machen, vornehmlich bei Älteren, für die der Kalte Krieg noch eine prägende Lebenserfahrung war.

So absurd das angesichts der Programme von Warren und Sanders anmutet, in Europa wären beide eher auf dem rechten Flügel der Sozialdemokratie anzusiedeln. Den Startschuss für eine Angstkampagne hat Trump längst gegeben. Bereits im Februar sprach er von alarmierenden Tendenzen, den Sozialismus in den USA einführen zu wollen. "Heute erneuern wir unsere Entschlossenheit, dass Amerika niemals ein sozialistisches Land sein wird." Sätze wie diese wird man in den nächsten Monaten wohl noch öfter hören – zumal Trump beim Entwerfen von Zerrbildern keinerlei Hemmungen kennt.

Ressort: Ausland

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 19. Juni 2019:
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