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Klimaschutz

EU-Gipfel beginnt mit Streit über die Atomkraft

  • dpa

  • Do, 12. Dezember 2019, 20:10 Uhr
    Ausland

Wenige Monate nach der Europawahl blasen die neuen EU-Spitzen zum Aufbruch. Neues Vertrauen und Einigkeit sollen die Gemeinschaft schlagkräftiger machen. Doch erstmal regiert der Streit.

Wie geht es mit der Atomkraft weiter?  | Foto: Armin Weigel (dpa)
Wie geht es mit der Atomkraft weiter? Foto: Armin Weigel (dpa)
Tschechien forderte am Donnerstag, vor der offiziellen Festlegung auf ein klimaneutrales Europa bis 2050 die Kernkraft als grünen Strom anzuerkennen. Das sehen Luxemburg, Österreich und auch Deutschland jedoch kritisch. Kanzlerin Angela Merkel äußerte die Hoffnung, dass eine Einigung gelingt und sich alle 28 Staaten hinter die Klimaneutralität stellen.

"Das wäre ein starkes Zeichen, dass Europa wirklich der Kontinent ist, der dann 2050 klimaneutral ist", sagte Merkel. Deutschland habe sich bereits auf dieses Ziel verpflichtet und unterstütze die Pläne der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für einen "Green Deal". Nun gehe es darum, ob alle EU-Länder dies mittragen. Auch der neue Ratspräsident Charles Michel sagte: "Ich hoffe, wir können uns einigen."

In Vorverhandlungen war dies jedoch nicht gelungen. So stellte sich nicht nur Tschechien quer, sondern auch Polen und Ungarn. Sie bestanden auf klaren Zusagen für finanzielle Hilfen, weil sie bisher besonders viel Kohlestrom verwenden und der Umbau der Energieversorgung für sie besonders teuer ist. Polen zum Beispiel bezieht 77 Prozent seiner Elektrizität aus Kohle. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte, beim Erreichen der Klimaneutralität sollte ein unterschiedliches Tempo gewährt werden.

Der tschechische Regierungschef Andrej Babis machte neben den Finanzfragen noch eine neue Front auf und forderte auch Zusagen zugunsten der Atomkraft. "Ohne Atomenergie erreichen wir die Klimaneutralität nicht", sagte Babis dem tschechischen Fernsehen. Die EU-Kommission und der Gipfel müssten klar feststellen, dass die Kernkraft eine "saubere und emissionsfreie Energiequelle" sei. Ungarn teilt die Position, wie der Kanzleramtsminister Gergely Gulyas in Budapest deutlich machte.

Babis verlangte darüber hinaus Garantien, dass Tschechiens Nachbarstaaten Ausbaupläne für die Akw-Standorte Temelin und Dukovany nicht blockieren. Temelin liegt nahe der Grenze zu Bayern. Umweltschützer kritisieren tschechische Meiler als störanfällig. Nach EU-Recht kann jeder Mitgliedsstaat den eigenen Energiemix frei wählen, also auch Atomstrom produzieren. Darauf verwies auch der französische Präsident Emmanuel Macron. Für Länder mit viel Kohlestrom sei ein Umstieg auf erneuerbare Energien nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Auch für Frankreich spiele die Kernkraft eine große Rolle und liefere mehr als 60 Prozent des Stroms.

Umstritten ist jedoch, ob EU-Mittel in den Ausbau der Kernenergie fließen können, um Klimaschutzziele zu erreichen. Macron nannte einige der Länder, die dies sehr kritisch sehen: Österreich, Luxemburg und Deutschland. Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel sagte denn auch: "Wir sind der Überzeugung, dass Atomenergie weder nachhaltig noch sicher ist." EU-Gelder sollte es dafür nicht geben.

Für das "klimaneutrale" Europa hatte von der Leyen am Mittwoch ihren "Green Deal" vorgelegt. Gemeint ist, dass ab 2050 keine zusätzlichen Treibhausgase aus Europa mehr in die Atmosphäre gelangen. Dafür müssen Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft komplett umgebaut werden. Von der Leyen sagte beim Gipfel, ihr "Masterplan" sei eine "Einladung an alle" und sie hoffe auf starke Unterstützung.



Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 13. Dezember 2019: PDF-Version herunterladen

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