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Flüchtlinge

EU plant Militärmission gegen Schleuser im Mittelmeer

  • Tom Weingärtner

  • Di, 19. Mai 2015, 00:05 Uhr
    Ausland

Das Geschäftsmodell der Schleuser soll zerstört werden: Die EU-Staaten will will Schlepperschiffe vor Ort zerstören und Schleuser sogar an Land verfolgen – mit einer Militärmission.

Wasser, aber keine Überfahrt nach Euro...ten im libyschen Tripolis abgefangen.   | Foto: AFP
Wasser, aber keine Überfahrt nach Europa: Diese Flüchtlinge wurden auf dem Weg zu den Booten im libyschen Tripolis abgefangen. Foto: AFP
Die Außen- und Verteidigungsminister der EU, die am Montag in Brüssel zu einer gemeinsamen Tagung zusammenkamen, hatten einen klaren Auftrag der Staats- und Regierungschefs. Ende April hatten diese sich auf einem Sondergipfel darauf verständigt, härter gegen die illegale Einwanderung über das Mittelmeer vorzugehen. Zwar will die EU mehr für die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot unternehmen. Die Ausstattung der EU-Missionen Triton und Poseidon wird dafür verdreifacht. In Zukunft wollen die EU-Staaten ihre Südgrenze aber auch mit militärischen Mitteln verteidigen.

Den Streitkräften und der Polizei hatten die Staats- und Regierungschefs folgende Ziele vorgegeben: Sie sollen Schleusernetzwerke zerschlagen, die Verantwortlichen festsetzen und ihr Vermögen beschlagnahmen. Schleuserboote sollen identifiziert und zerstört werden. Europol soll die Seiten der Schleuser im Internet aufspüren und schließen, um den Kontakt zu potenziellen Opfern zu unterbrechen. Die Hohe Beauftragte für die Außenpolitik der EU, Federica Mogherini, wurde mit der Vorbereitung der Mission beauftragt.

Ihre Beamten haben in den letzten Wochen ein Krisenmanagementkonzept (CMC) erarbeitet, das die Grundlage für die Operation der EU im Mittelmeer werden soll. Nach dem CMC soll die Operation aus vier Elementen bestehen: einer Geheimdienstoperation, mit der Informationen über die Schleusernetzwerke zusammengetragen werden. Daran wären vor allem die Nachrichtendienste und die Polizei beteiligt. Zweites Element wäre ein Einsatz von Marineeinheiten auf hoher See, also in internationalen, aber auch in libyschen Gewässern, um Boote mit Flüchtlingen aufzubringen, Schlepper zu verhaften und ihre Boote zu versenken. Als drittes Element könnte man schließlich auch versuchen, Boote schon in den libyschen Häfen zu identifizieren und zu versenken – sowie die Schlepper im Hinterland anzugreifen.

Geschäftsmodell der Schleuser soll zerstört werden

Bislang haben die Europäer dem Treiben der Schlepper und Schleuser weitgehend tatenlos zugesehen und sich darauf beschränkt, Flüchtlinge aus überfüllten Booten zu retten. Auch die deutsche Fregatte Hessen, die seit zwei Wochen vor der libyschen Küste patrouilliert, hat sich darauf beschränkt. Zwar wurden auch in der Vergangenheit Schleuser von der italienischen Polizei dingfest gemacht und vor Gericht gestellt. Boote wurden versenkt, nachdem die Flüchtlinge von Bord waren. Militärische Gewalt durfte aber nicht angewendet werden. Nun erhalten die Kriegsschiffe Befehl, mit Waffengewalt gegen die Boote vorzugehen. Das Militär werde dabei auf die Erfahrung zurückgreifen, die es bei der EU-Operation Atalanta gesammelt habe, die Handelsschiffe am Horn von Afrika vor Piraten schützt. Wie dort soll das Geschäftsmodell der Schleuser zerstört werden.

Für die einzelnen Elemente der Operation braucht die EU unterschiedliche Mandate. Die Geheimdienstoperation, sagt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, könne schon in den nächsten Tagen beginnen. Dafür brauche man nur den Beschluss des Ministerrates. Auch das Aufbringen auf hoher See werfe nur "überschaubare juristische Fragen" auf. Mogherini geht davon aus, dass sie das Hauptquartier für die Operation schon in Kürze einrichten kann.

Schwieriger wird es, wenn die Kriegsschiffe der EU Schlepperboote oder -schiffe bereits in den libyschen Küstengewässern oder gar in libyschen Häfen aufbringen sollen. Oder wenn die Schleuser bis nach Libyen hinein an Land verfolgt würden. Das hat sich im Falle der Piraten in Somalia oft als notwendig erwiesen. Um in den libyschen Gewässern aktiv zu werden, braucht die EU ein UN-Mandat oder eine "Einladung" der libyschen Regierung. Manche meinen auch: beides.

Das UN-Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta setzt einen Beschluss des Sicherheitsrates voraus, über den auch schon mit den Vetomächten Russland und China gesprochen worden ist. Dort gebe es jedenfalls keine grundsätzlichen Einwände gegen den Wunsch der Europäer, sagen die Diplomaten.

Schwieriger wird es mit der libyschen Regierung, denn davon gibt es gegenwärtig zwei. Die EU werde das Problem mit den Flüchtlingen nicht lösen, sagt Steinmeier, solange sich die Lage in Libyen nicht stabilisiere. Deswegen müsse alles unternommen werden, um in Tripolis eine "Regierung der nationalen Einheit" zu bilden. Ohne eine solche können sich die meisten Experten EU-Operationen in Libyen selbst nur schwer vorstellen. Voraussichtlich wird das UN-Mandat, wenn man es denn bekommt, auch keine Operationen an Land erlauben.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 19. Mai 2015: PDF-Version herunterladen

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