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Regio-Milch

Milch vom Automaten macht Bauern unabhängiger

  • Felix Lieschke

  • Mo, 05. Dezember 2016, 19:37 Uhr
    Wirtschaft

In der Region sind bisher nur wenige Landwirte auf die Selbstvermarktung durch Milchautomaten umgestiegen. Dabei könnten sie die Bauern vom Milchpreis unabhängig machen.

Frische Milche ab Hof von den Milchautomaten.  | Foto: Martin Schutt
Frische Milche ab Hof von den Milchautomaten. Foto: Martin Schutt
In der Region sind bisher nur wenige Landwirte auf Selbstvermarktung mit Milchautomaten umgestiegen. Dabei könnten sie die Bauern vom Milchpreis, den die Molkereien zahlen, unabhängiger machen.

Milchautomaten umgestiegen. Dabei könnten sie die Bauern vom Milchpreis, den die Molkereien zahlen, unabhängiger machen.

33,26 Cent je Liter konventioneller Milch bekommt ein südbadischer Bauer 2016 durchschnittlich von der Molkerei Schwarzwaldmilch ausgezahlt, brutto. Für Biomilch waren es bisher nach Angaben der Schwarzwaldmilch durchschnittlich 50,99 Cent je Liter, ebenfalls brutto. Seit dem Tief vom Sommer steigen die Preise zwar wieder leicht, manche Milchbauern versuchen sich trotzdem von den Molkereien unabhängig zu machen. Milchautomaten stellen eine Alternative dar – die Investition ist aber hoch.

Automaten auf dem Parkplatz

Einer dieser Automaten steht am Parkplatz der Ruine Hochburg bei Emmendingen. Pächter des angrenzenden Betriebs ist seit Juli 2015 Matthias Seifert. Der Betrieb arbeitet nach den biodynamischen Prinzipien des Demeter-Verbandes. 80 Kühe hat Seifert in seinem Stall stehen, die am Tag rund 1200 Liter Milch geben. "Die Preise haben sich nur für konventionelle Betriebe gebessert", sagt er. "Für Biobauern sind sie auf dem gleichen Niveau geblieben – noch 45 Cent, netto". Seifert liefert hauptsächlich an die Schwarzwaldmilch, einen kleinen Teil vermarktet er über den Milchautomaten.

Seifert hat seine Milchtankstelle gebraucht gekauft. Rund 8000 Euro habe er bezahlt, sagt er. Der Automat fasst zwei Kannen mit jeweils 50 Litern. "Die Nachfrage nach Rohmilch ist sehr groß", sagt Seifert. Mittlerweile gebe es sogar schon eine Stammkundschaft. Wer möchte, kann seine eigene Flasche mitbringen. Ansonsten gibt es nebendran noch einen Warenautomaten, an dem jeder Kunde eine Flasche kaufen kann. Die Milch wird in dem Automaten auf fünf Grad Celsius gekühlt und durch einen Filter gereinigt. Kunden können einen Liter Rohmilch für einen Euro kaufen. Die Lage von Seiferts Hof ist günstig, die Hochburg ist ein beliebtes Ausflugsziel in der Region und lockt viele Touristen an.

15.000 Euro für ein Starter-Paket

Auf der Internetseite www.milchtankstellen.com findet sich eine Liste mit 215 Standorten in Deutschland. Dirk Hensing ist der Betreiber der Seite und Geschäftsführer der Hensing GmbH. Er vertreibt die Milchtankstellen des deutschen Automatenherstellers Risto-Vending aus der Nähe von Köln. Für Landwirte, die sich eine Maschine in den Hof stellen möchten, bietet Hensing auch Komplettpakete an. Das beinhaltet neben den Tankstellen auch passende Schilder, Etiketten und Milchkartons. Rund 15.000 Euro müsse ein Landwirt rechnen für ein Starter-Paket, sagt Hensing.

Wirft man einen Blick auf die Karte, fällt auf, dass viele Standorte entlang der westlichen Grenze zwischen Dortmund und Hamburg zu finden sind. In Südbaden ist keiner der Automaten verzeichnet. "In die Liste werden nur Standorte eingezeichnet, die auch den offiziellen Namen Milchtankstelle führen", sagt Hensing. Darüber hinaus gibt es aber noch mehr.

Kunden wollen Rohmilch

Einer seiner Kunden ist Stefan Lehmann aus Oberharmersbach. Rund 13.000 Euro habe er für seinen Milchautomaten bezahlt. Für ihn waren es weniger wirtschaftliche Interessen, die ihn zu der Investition bewegt haben, sondern gesundheitliche Aspekte, sagt er. Für Lehmann ist Rohmilch die gesündere Milch. Es seien vor allem Stammkunden, die regelmäßig vorbeikämen. "Es werden mehr und mehr Leute, die Rohmilch verlangen", sagt er, "viele vertragen die behandelte Milch nicht mehr." In Lehmanns Stall stehen 45 Milchkühe. Für seine Biomilch bekomme er 45 und 50 Cent, sagt er. "Es ist schön, wenn ich mehr verlangen kann, als das, was die Molkerei ausbezahlt. Leider macht es nur einen Bruchteil aus", fügt Lehmann hinzu.

"Jetzt habe ich nach Abzug der Steuer 94 Cent – aber man muss viel Arbeit reinstecken" Karsten Scheffler
Für Landwirte gibt es klare Regeln, wie sie die Rohmilch verkaufen dürfen. Festgehalten ist das in der Rohmilchverordnung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes. Demnach dürfen "Rohmilch und Rohrahm nur direkt an den Endverbraucher" abgegeben werden. Außerdem darf sie nur am Tag der Gewinnung und den zwei darauffolgenden Tagen verkauft werden. Dies gilt aber nur für Rohmilch. Wer seine Milch vorher pasteurisiert, kann sie auch an anderen Standorten anbieten.

Karsten Scheffler führt einen Landwirtschaftsbetrieb in Gerbsted in Sachsen-Anhalt mit 85 Kühen. Seit Juni 2016 hat er seinen Betrieb auf Milchautomaten umgestellt. Da er die Milch selbst pasteurisiert, darf er sie auch außerhalb seines Hofes verkaufen. Am 3. Juni ging der erste Automat an einer Bundesstraße in Betrieb. Knapp drei Wochen später der zweite im Eingangsbereich eines Supermarktes. Mittlerweile hat Scheffler vier Automaten im Einsatz, zwei weitere sind geplant. Knapp 1000 Liter kann er nach eigenen Angaben so täglich absetzen.

Damit die Automaten niemals leer sind, hat er drei neue Mitarbeiter angestellt, die zweimal am Tag Milch nachfüllen. "Vorher hat alles die Molkerei bekommen, jetzt holen sie nur noch alle drei Tage eine geringe Menge", erzählt Scheffler. Insgesamt hat er rund 140.000 Euro in das neue System gesteckt. Im November lag der Milchpreis bei ihm bei rund 30 Cent je Liter. "Jetzt habe ich nach Abzug der Steuer 94 Cent – aber man muss viel Arbeit reinstecken."

Für die Schwarzwaldmilch sind Milchautomaten bisher nur ein "Nischenangebot", heißt es auf Anfrage. Die Milchproduktion habe sich zwar im Einzugsgebiet der Molkerei in den vergangenen acht bis zwölf Wochen reduziert, die Nachfrage sei aber ebenfalls zurückgegangen. "Es wird sich zeigen, wie sich bei besseren Preisen die Milchmenge entwickeln wird. Wenn sie wieder deutlich steigt, sind die höheren Milchauszahlungspreise vielleicht nur von kurzer Dauer", heißt es von der Schwarzwaldmilch weiter.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 06. Dezember 2016: PDF-Version herunterladen

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