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Gemeindeordnung

Obdachlose dürfen ihre Stimme bei der OB-Wahl nicht abgeben

  • Fr, 20. April 2018, 19:49 Uhr
    Freiburg

Anders als bei Europa-, Bundestags- oder Landtagswahlen dürfen Menschen ohne Obdach am Sonntag nicht wählen. Warum die Stadt darauf keinen Einfluss hat, sich aber trotzdem etwas ändern könnte.

Sebastian Eck und Svenja Krauß   | Foto: Michael Bamberger
Sebastian Eck und Svenja Krauß Foto: Michael Bamberger
Svenja Krauß ist 19 Jahre alt, kommt aus Freiburg und lebt auch hier. Deshalb hat sie versucht, sich zur Oberbürgermeisterwahl anzumelden – ohne Erfolg. Der Grund: Sie ist obdachlos. "Wir sind doch auch Bewohner der Stadt. Warum werden wir hier ausgegrenzt?", fragen sie und ihr Freund Sebastian Eck. Bei allen anderen Wahlen dürfen die beiden an die Wahlurne, nur bei Kommunalwahlen, also auch bei der Gemeinderatswahl im kommenden Jahr, ist es ihnen nicht erlaubt. Dabei hätten doch gerade die Entscheidungen der Kommunalpolitik den größten Einfluss auf ihre Lebenswirklichkeit, betonen die Wohnungslosen: "Da geht’s um die Stadt. Das betrifft uns im Alltag."

Woher diese Unterschiede kommen, kann Klemens Kapp vom städtischen Wahlamt erklären: Während die Landtagswahlen nach dem Landtagswahlgesetz (LWG) ablaufen, funktionieren Kommunalwahlen auf Basis der Gemeindeordnung, die für alle Gemeinden im Bundesland gilt. Das LWG gibt all jenen ein Wahlrecht, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und sich "gewöhnlich" in Baden-Württemberg aufhalten, wie es im Gesetzestext heißt. "Da reicht es auch, wenn man in einer Stadt gemeldet ist, ohne eine spezifische Meldeadresse zu haben", sagt Kapp. So besitzt auch Svenja Krauß eine sogenannte Postersatzadresse in der Anlaufstelle Pflasterstub’, die es ihr ermöglicht, Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld zu beantragen und Post zu empfangen. Meldefähig sei diese Anschrift aber nicht, so Kapp.

An der Regelung können weder Gemeinderat noch OB etwas ändern

Laut Gemeindeordnung hingegen sind nur "Bürger" wahlberechtigt, und die werden über die Lage des Hauptwohnsitzes in der betreffenden Gemeinde definiert. Den müssen Menschen, die ihre Stimme abgeben möchten, mindestens drei Monate vor der Wahl haben – also im Fall der OB-Wahl bis zum 22. Januar. Wer zu diesem Zeitpunkt keine gemeldete Wohnung hatte, darf am Sonntag nicht in die Wahlkabine. Die Postersatzadresse kann nicht als Hauptwohnsitz herhalten; Svenja Krauß und Sebastian Eck sind rechtlich gesehen keine Bürger der Stadt. "Das wird nun mal über das Wohnen geregelt. Das ist nicht auf unserem Mist gewachsen", betont Kapp.

Wie viele Freiburger von dem Problem betroffen sind, kann die Stadtverwaltung nicht beantworten. Dass es nicht genügend Wohnangebote für Obdachlose in der Stadt gebe, die auch als Meldeadresse genutzt werden könnten, gibt Boris Gourdial, Leiter des Amts für Soziales und Senioren, zu. "Die Verwaltung arbeitet aber intensiv an Lösungen", sagt er. Im Jahr 2018 würden die Unterkunftskapazitäten weiter ausgebaut.

Svenja Krauß und Sebastian Eck fordern eine grundlegende Gleichberechtigung mit Nicht-Obdachlosen – auch und gerade bei den Kommunalwahlen. Nur, weil sie keine Wohnung hätten, heiße das nicht, dass sie keine politischen Menschen seien. Das Wahlrecht sei ein wichtiges Zeichen, dass man zu der städtischen Gesellschaft dazugehört. "Wir fühlen uns ausgegrenzt."

An der Regelung können allerdings weder Gemeinderat noch OB etwas ändern, für die Gemeindeordnung ist der Landtag zuständig. Aktuell wird eine Regeländerung im Landtag nicht debattiert. Die Freiburger Landtagsabgeordneten Reinhold Pix (Grüne) und Gabi Rolland (SPD) könnten sich allerdings eine Sonderregelung für Wohnsitzlose vorstellen.

Ressort: Freiburg

Dossier: OB-Wahl Freiburg 2018

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 21. April 2018: PDF-Version herunterladen

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