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Friedrichshain

RAW-Gelände: Randale auf Berlins Partymeile

  • dpa

  • Do, 20. August 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

Es ist ein beliebter Treffpunkt für Touristen und Nachtschwärmer in Berlin. Doch das Viertel um das RAW-Gelände leidet mehr und mehr unter der Partyszene und ihren Begleiterscheinungen.

Im charmanten Industriegemäuer des Ber...t derzeit Feierspaß auf Kriminalität.   | Foto: dpa
Im charmanten Industriegemäuer des Berliner Ausgehviertels trifft derzeit Feierspaß auf Kriminalität. Foto: dpa
Die Sängerin der Band Jennifer Rostock hat nach einer Clubnacht in Berlin einen Alptraum erlebt: Auf Facebook veröffentlichte sie das Bild ihres Begleiters, dem bei einem Überfall in den Hals gestochen worden sei. Sie warnt vor einer Bande. Als das Foto im Internet die Runde macht, sind die täglichen Polizeimeldungen zur Kriminalität auf einmal nicht mehr anonym. Was die Musikerin gepostet hat, trifft ein Reizthema: die Kriminalität auf Berlins bekanntester Partymeile.

Das RAW-Gelände (die Abkürzung steht für das frühere Reichsbahn-Ausbesserungswerk) an der Warschauer Brücke in Berlin-Friedrichshain ist mit seinem Industrie-Charme ein Ort, an dem die Stadt noch aussieht wie in den Jahren nach dem Mauerfall. Es ist dort "sooo Börlin", würden amerikanische Touristen sagen. Auf dem ehemaligen Eisenbahngelände gibt es Konzerte, Clubs, Yoga und Streetfood-Märkte, für welche die Leute Schlange stehen. Manchen ist es fast schon zu nobel und zu touristisch geworden. Kürzlich hat ein Poolclub aufgemacht. Der übliche Berliner Wandel. Das ist die eine Seite.

Die andere kennt die Polizei. Anwohner sind genervt. Wegen des Nachtlebens heißt die Gegend "Techno-Strich" oder "Berliner Ballermann". Wo Clubs sind, sind auch Drogen. Viele Dealer sind vom Görlitzer Park im benachbarten Kreuzberg nach Friedrichshain gewandert.

Ein Rundgang im Viertel: Bauarbeiter erzählen, dass sie zwischen Dixie-Klos und Paletten Drogenpäckchen finden. Ein Restaurantbesitzer fürchtet, dass nach den jüngsten Überfällen weniger Leute kommen. Er wünscht sich mehr Polizei. Die Dealer würden festgenommen – "und dann sind sie ein paar Stunden später wieder da". Ein Ladenbesitzer erzählt von Streits mit Macheten und Baseballschlägern. Der Betreiber des Restaurants "Mutzenbacher" wünscht sich einen Runden Tisch von Polizei, Politik und Wirten.

Die Polizei war von Januar bis Juni mehr als 200 Mal im Einsatz. Bei den jüngsten Überfällen wird nach Serientätern gefahndet. Auf Facebook gibt die Polizei Nachtschwärmern Tipps – auch wenn es unwahrscheinlich sei, dass ihnen etwas passiere. "Unternehmt nichts, was den Täter reizen könnte", heißt es beispielsweise. Oder: "Versucht, so schnell wie möglich aus der Situation herauszukommen, haut ab!"

"Das hat eine Dimension erreicht, die kann man nicht tolerieren", sagt Sven Heinemann, SPD-Abgeordneter aus dem Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Problem sieht er in den dunklen Straßenlaternen aus DDR-Zeiten. Neben einer besseren Beleuchtung will er ein begrenztes Parkverbot, damit die Dealer Drogen nicht mehr in Radkappen verstecken könnten. Der Göttinger Eigentümer des RAW-Geländes, Hans-Rudolf Kurth, beteuert, Sicherheit sei ihm von Anfang an wichtig gewesen. Nachts patrouilliere Security. Büsche würden gerodet, die Beleuchtung auf dem Gelände verbessert.

Jennifer-Rostock-Sängerin Jennifer Weist klagt inzwischen darüber, dass bei den Facebook-Kommentaren "der rechte Bodensatz des Internets" tobt. "Es geht um Aufklärung eines Verbrechens und nicht darum, dass jetzt Kartoffel-Bürgerwehren durch Friedrichshain spazieren."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 20. August 2015: PDF-Version herunterladen

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