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ARD / ZDF

Wie kommt das Jugendformat Funk an?

Anika Maldacker, Maximilian Knaup

Von & Maximilian Knaup

Di, 06. Dezember 2016 um 09:00 Uhr

Computer & Medien

Funk, das neue Jugendformat von ARD und ZDF, existiert seit zwei Monaten und ringt um das Publikum der 14- bis 29-Jährigen – gemeinsam mit bekannten Youtubern.

Funk läuft auf dem Smartphone und im Internet – nur nicht im Fernsehen.  | Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Funk läuft auf dem Smartphone und im Internet – nur nicht im Fernsehen. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Rayk Anders, Fynn Kliemann, Kristina Weitkampf – dem alteingesessenen Fernsehpublikum mögen diese Youtuber fremd sein. Für netzaffine Jugendliche haben die Namen dieselbe Schlagkraft wie die von Thomas Gottschalk oder Günther Jauch. Denn Youtube ist nicht nur Ort für Musikvideos, sondern außerdem Paralleluniversum für Webvideos von mal mehr, mal weniger kreativen jungen Menschen. Für mehr als die Hälfte der Jugendlichen stellt die Videoplattform das liebste Internetangebot dar. Das besagt eine Studie von 2016 des Medienpädagogischen Forschungsverbands Südwest.

Die Macher von Funk, dem neuen Jugendangebot von ARD und ZDF, nahmen das ernst. Funk, seit Anfang Oktober online, ist der radikale öffentlich-rechtliche Sprung ins Internet. Ein absoluter Verzicht auf ein konventionelles Fernsehprogramm. Funk existiert als Homepage, App, bei Facebook, Youtube und Snapchat. Nur nicht im Fernsehen. Zwei Sender, Eins Plus und ZDF Kultur, sind dafür geopfert worden.

Zwei Monate jung ist der gebührenfinanzierte Versuch, die Jugend zwischen 14 und 29 Jahren mit öffentlich-rechtlichen Inhalten der Kategorien Unterhaltung, Information und Orientierung zu versorgen. Mittlerweile gibt es 40 verschiedene Formate, die meisten dauern zwei bis drei Minuten. Auch ARD und ZDF haben bereits Bilanz gezogen: Seit das Programm gestartet ist, hätten die verschiedenen Formate rund 25 Millionen Zuschauer angelockt. Bei Youtube und Facebook sind die Kanäle insgesamt 1,27 Millionen Mal abonniert worden. "Das ist okay, aber wir sind noch weit entfernt davon, bei den 14- bis 29-Jährigen eine Relevanz zu haben", resümiert Sophie Burkhardt, stellvertretende Programmgeschäftsführerin von Funk. Man ist sich darüber im Klaren, dass es für das Netz kein Rezept für Erfolg gibt.

Staat auf dem Bauernhof oder Aufklärung á la Dr. Sommer

Funk ist zunächst schwer zu überschauen, zumindest für diejenigen, die gewohnt sind, Inhalte in einem Fernsehprogramm nach Relevanz sortiert zu bekommen. Aber bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es sich um eine gebührenfinanzierte Spielwiese für zuvor jahrelang aktive kreative junge Menschen im Netz handelt. Befürchtet wurde, dass die Funk-Macher mit den 45 Millionen Jahresbudget durch die Netzlandschaft spazieren und freie Webvideo-Produzenten einkaufen. Doch Programmgeschäftsführer Florian Hager und Sophie Burkhardt wollten für Funk keine bestehenden Youtube-Formate einkaufen, sondern neue Konzepte entwickeln – mit den Youtubern. So darf der heimwerkelnde Fynn Kliemann auf einem Bauernhof seinen eigenen Staat ausrufen und Kristina Weitkampf, ebenfalls vor Funk mit einem eigenen Videokanal aktiv, Aufklärung à la Dr. Sommer betreiben.

Ein Unterhaltungsformat nennt sich "Auf Klo". Einmal wöchentlich trifft sich die Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim zum Frauengespräch in der Toilettenkabine. Es geht um Freundschaft, Liebe und Sex. In der ersten Folge müssen Moderatorin und Gast mit Baklava im Mund Beyoncé-Songs summen und den Titel erraten. Das mag die angesprochene Zuschauergruppe pubertierender Mädchen interessant finden. Andere aber lässt es ratlos zurück.

In die Rubrik Information fällt "Auf einen Kaffee mit Moritz Neumeier". Darin antwortet der Standup-Comedian, Kaffeetasse in der Hand, flapsig auf aktuelle Fragen, die ihm vorab gestellt wurden. So arbeitet er sich mit derber Sprache am Thema Trump ab und versucht Antworten zu liefern, doch die kratzen meist an der Oberfläche, erwartbar in einem zwei- bis dreiminütigen Format. Überhaupt fällt auf, dass die Sprache oft grob ist und an der Grenze zum Vulgären wandert. Braucht ein Jugendangebot das, um bei der schwierigen Zielgruppe nicht als peinlich abgestempelt zu werden?

Die meisten Formate haben, ob Information oder Orientierung, einen satirischen Anstrich. Da stellt sich die Frage: Wie solide sind die jungen Leute bereits informiert? "Wir machen Appetit auf Themen und wecken die Lust, sich weiter zu informieren", erklärt Sophie Burkhardt. Das Problem: Manchen reicht womöglich die satirisch verabreichte Information.

"Wir bieten für unsere Zielgruppe einen anderen Zugang zu gesellschaftlichen Debatten, der von konventionellen Sendungen nicht so abgedeckt wird", sagt Burkhardt. Diesen Anspruch verfolgten bereits die zwei abgesetzten Sender und auch die bestehenden Sender ZDF neo und One, vormals Einsfestival. Dort tummeln sich Quotenbringer wie Jan Böhmermann, die für Reichweite sorgen sollen: So soll auch Funk funktionieren. Natürlich ist Florian Mundt, als Youtuber LeFloid durch ein Interview mit Bundeskanzlerin Merkel 2015 bekannt, mit an Bord. Oder Schlecky Silberstein, der sich mit seinem Blog einen Namen machte und bei Funk nach Eigenaussage "Satire für Intellektuelle" unter dem Titel Bohemian Browser Ballet macht. Dieses Format ist eines der vielversprechendsten. Silberstein und seine Mitstreiter greifen aktuelle Diskussionen auf und führen sie ad absurdum. Vor kurzem thematisierten sie den Vorwurf, Edeka verwende in seinem Weihnachtsspot Nazisymbolik. Auf Facebook gefiel das mehr als 33 000 Menschen. Dass das Format zu Funk gehört, ist sicher vielen nicht bewusst. "Wir setzen wenig auf Dachmarkenkommunikation", erklärt Burkhardt, "sondern wollen, dass die einzelnen Formate bei der Zielgruppe eine starke Reichweite erzielen."

Funk will so dezentral wie das Internet sein – das ist ein ernst zu nehmender Versuch der Öffentlich-Rechtlichen, von den sich fast nur noch im Netz tummelnden Jugendlichen wahrgenommen zu werden. Dass auch der öffentlich-rechtliche Bildungsauftrag mit der Digitalisierung geht, ist wichtig. Über das Wie lässt sich allerdings streiten.

Ressort: Computer & Medien

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Di, 06. Dezember 2016:
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