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Unterm Strich

Wissenschaftler rätseln, warum in Afrika Erde gegessen wird

Johannes Dieterich

Von

Mi, 07. Dezember 2016

Kolumnen

Seltsame Gelüste nach Dreck / Von Johannes Dieterich

Das Phänomen ist so alt wie die Menschheit und hat sogar einen wohlklingenden Namen: Geophagie. Trotzdem redet kaum jemand darüber, weil es ehrenrührig ist. Wer will schon zugeben, dass er gerne Dreck isst oder sogar regelrecht süchtig danach ist. In Afrika, vor allem im südlichen Teil des Kontinents, ist das Phänomen allerdings dermaßen verbreitet, dass Gesundheitsexperten jetzt Alarm schlagen. "Die Frauen müssen dringend auf die Gefahren der Angewohnheit hingewiesen werden", sagt die südafrikanische Ärztin Lungi Masuku, "weil sich in der Erde jede Menge schädlicher Bestandteile wie Würmer, Tierkot und Pilze befinden können".

Thuli Malindzi isst nach eigenen Angaben schon seit zehn Jahren Erde. Die lehmige Erde, die sie von zu Hause in der südafrikanischen Ostkap-Provinz gewohnt war, schmecke wie Butter-Toffee und zergehe auf der Zunge, erzählt die 22-Jährige: Täglich esse sie mindestens ein schokoladentafelgroßes Stück davon. Seit sie in Kapstadt lebt, hat sie Schwierigkeiten, an die süße heimatliche Erdmasse zu kommen: "Ich lasse mir immer welche von zu Hause mitbringen."

Wissenschaftler rätseln über den Ursprung des seltsamen Gelüstes. Weil vor allem Frauen in anderen Umständen zum Dreckessen neigen, wird angenommen, dass das Phänomen mit Mineralienmangel in Verbindung steht. Der Körper der Schwangeren verlangt nach den Stoffen, die er braucht. Experten weisen darauf hin, dass Erde auch wertvolle Bestandteile enthalten kann. Beispielsweise Kaolin, das in Medikamenten zur Behandlung von Erbrechen, Durchfall oder Schwangerschaftsübelkeit zur Anwendung kommt. Wenn nur die Nebenwirkungen wie Verstopfung, Wurm- und Pilzbefall nicht wären.

In Johannesburg werden Päckchen von Dreck sogar von den Straßenhändlern auf dem Bürgersteig angeboten. Ein Streichholzschachtel großes Stück lehmiger Erde wechselt für 10 Rand (rund 70 Cent) den Besitzer.

Ressort: Kolumnen

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 07. Dezember 2016:
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