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Hildesheim

Zu Besuch im Weihnachtspostamt

  • Matthias Arnold (dpa)

  • Mo, 28. November 2016, 08:07 Uhr
    Panorama

Bis zu 55 000 Briefe an den Weihnachtsmann gehen jährlich im niedersächsischen Himmelsthür ein. Ein ehemaliger Post-Angestellter beantwortet diese Briefe.

Karlheinz Dünker beantwortet mit viel Gefühl Briefe mit Wünschen und Fragen.   | Foto: dpa
Karlheinz Dünker beantwortet mit viel Gefühl Briefe mit Wünschen und Fragen. Foto: dpa
Gäbe es den Weihnachtsmann nicht schon, Karlheinz Dünker wäre der perfekte Ersatz. Seit rund 40 Jahren liest und beantwortet der ehemalige Post-Angestellte mit viel Einfühlungsvermögen und Geduld die Weihnachtspost Zehntausender Kinder und Eltern. Das offizielle Weihnachtspostamt ist ein großer, festlich geschmückter Raum mitten in einem grauen Gewerbegebiet im Hildesheimer Ortsteil Himmelsthür.

Dünker und seine vier Helferinnen lesen, sortieren die Briefe und antworten auf die Wünsche der Kinder. "Schnee steht dieses Jahr bei vielen ganz oben auf dem Wunschzettel", erzählt Dünker. "Der Klimawandel macht auch vor Weihnachten nicht halt." Jedes Jahr gehen in Himmelsthür bis zu 55 000 Briefe an den Weihnachtsmann oder das Christkind ein. Anfang der 1960er Jahre wurde das Weihnachtspostamt quasi aus der Not geboren, weil niemand wusste, was mit der Post für den Weihnachtsmann ohne gültige Adresse passieren sollte. Inzwischen gibt es in Deutschland sieben Weihnachtspostämter. An den Wünschen, so Dünker, habe sich in all der Zeit kaum etwas verändert.

"Lieber Weihnachtsmann", schreibt Simon. "Ich würde mich freuen, wenn du mir einen von den aufgeklebten Wünschen erfüllen könntest. Wenn du das Fahrrad im Sinn hast, dann würde ich mich sehr freuen, wenn ein Gepäckträger dabei wäre." Der achtjährige Samuel braucht dringend die Playmobil-Polizeiwache und der gleichaltrige Daniel einen Spider Man Mega Blast Web Shooter. So etwa lauten Wünsche in den Briefen der Kinder. Inzwischen schaue er viel den Kinderkanal im Fernsehen, sagt Dünker. "Um mal zu gucken, wie die Dinger eigentlich aussehen."

Viele Kinder teilen mit ihm nicht nur ihre Wünsche, sondern auch große Sorgen. "Sie erzählen vom verstorbenen Großvater oder von den streitenden Eltern", erzählt Dünker. Andere, wie der einjährige Niko, machen sich Sorgen um ein Elternteil. "Mein Papa ist schon ein paar Monate weg", schreibt seine Mutter für ihn. "Er arbeitet über Weihnachten auch noch. Er passt im Kosovo auf. Hoffentlich kommt er gesund wieder."

Sarah, elf Jahre alt, wiederum plagt das schlechte Gewissen. "Dieses Jahr war ich nicht lieb, ich habe meine Mama und mein Papa angelogen. Und ich weiß, dass nur liebe Kinder Geschenke bekommen." Bis Weihnachten, verspricht sie, werde sie sich aber lieb verhalten, um vielleicht doch nicht ganz leer auszugehen.

Natürlich muss Dünker sich für den Weihnachtsmann auch mit zweifelnden Nachfragen befassen. So sorgt sich die konsumkritische Laura etwa um den Ruf des alten Mannes mit dem weißen Bart: "Ich habe mal gehört, dass du eine Erfindung von Coca-Cola bist. Wegen der Farben und für Werbezwecke... und wenn es dich wirklich gibt, bist du dann ein guter Freund vom Christkind?"

Bei den meisten Briefen reicht eine Standardantwort. Doch bei schwierigen Fällen greift Dünker selbst zum Stift, geht auf die Sorgen, die Nöte und häufig die Krankheiten der Kinder ein. Dabei bittet er einen Pädagogen um Hilfe, wenn es besonders knifflig wird: etwa bei der Frau, die ihren Mann verloren hat. Oder bei der Mutter, die dem Weihnachtsmann zum Brief der Tochter noch ein eigenes Schreiben über ihre Brustkrebsdiagnose beigelegt hat. "Dafür braucht man einfach sehr viel Gefühl", sagt Dünker. Der Weihnachtsmann kann beruhigt sein, jemanden mit diesem Gefühl in Himmelsthür gefunden zu haben.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 28. November 2016: PDF-Version herunterladen

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