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Traumhaft

Wie ein sehbehinderter Schüler aus Freiburg die Spiele erlebt

Andreas Strepenick
  • Di, 18. Februar 2014
    Olympische Spiele

Wie der sehbehinderte Schüler Vincent Hettrich aus Freiburg die Winterspiele im russischen Sotschi erlebt.

Vincent Hettrich in Sotschi. Im Hintergrund die schwangere Magdalena Neuner  | Foto: Andreas strepenick
Vincent Hettrich in Sotschi. Im Hintergrund die schwangere Magdalena Neuner Foto: Andreas strepenick

SOTSCHI. Vincent Hettrich ist zu Gast in der olympischen Welt. Er besucht Sotschi, macht die bislang weiteste Reise seines noch jungen Lebens, und er staunt, was ihm da geboten wird. "Olympia ist schön", sagt er. "Ein unbeschreibliches Erlebnis."

15 Jahre alt ist der Freiburger, das Kepler-Gymnasium hat ihm zwei Wochen lang frei gegeben, damit er am Deutschen Olympischen Jugendlager teilnehmen kann – an einer Reise, die es ihm nun ermöglicht, das Räderwerk dieses größten aller sportlichen Ereignisse einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Wobei das mit den Augen nur zum Teil klappt. Hettrich ist sehbehindert, aber nicht blind. Ihm bleibt eine Restsehfähigkeit von 15 bis 20 Prozent. Er nimmt Olympia eben nicht nur mit den Augen wahr, sondern mit all seinen Sinnen. Wenn er im Deutschen Haus von Krasnaja Poljana sitzt, hoch oben in den Bergen des Kaukasus, dann kann er die Übertragungen des ZDF und der ARD nicht so leicht verfolgen wie diejenigen, die zu 100 Prozent sehen. "Fernsehen geht visuell eher schlecht", sagt er. "Ich mach’ das dann über die Atmosphäre, bekomme die Geräusche mit und den Jubel."

14 Tage lang lebt Hettrich auf dem Kreuzfahrtschiff MS Olympia, es liegt im Hafen von Sotschi und damit ideal, um möglichst schnell an alle Wettkampfstätten zu gelangen und an all das andere, was sich in diesen Tagen an der russischen Schwarzmeerküste besuchen lässt. "Ich war beim Biathlon, beim Rodeln, beim Skispringen und beim Eishockey", sagt er. "Darüber hinaus machen wir hier Seminarprogramme." Die eigentliche Stadt Sotschi hat Hettrich zusammen mit einer Führerin besucht, die Umgebung erkundet, einer Medaillenzeremonie im Olympic Park beigewohnt – und einmal auch ein ganz spezielles Sportprogramm für die anderen Teilnehmer des Jugendlagers organisiert. "Wir haben dazu Simulationsbrillen benutzt", erklärt Hettrich. "Der Normalsichtige setzt eine Brille auf, die das Sehvermögen einschränkt und dafür sorgt, dass er ungefähr genauso viel erkennt wie ich." Der Sinn der Sache sei natürlich, dass die anderen einmal erleben könnten, wie er selbst, Hettrich, die Welt sieht.

Dass er überhaupt aufgenommen wurde ins Jugendlager, verdankt er der Tatsache, dass er selbst schon seit Jahren Leistungssport betreibt. Als Nordischer Skilangläufer und Biathlet im Nachwuchsbereich trainiert er am Zentrum in Freiburg – mit tatkräftiger Unterstützung des Olympiastützpunkts Freiburg/Schwarzwald. "Ich hoffe natürlich, dass ich eines Tages selber bei paralympischen Wettkämpfen starten darf", sagt er. Vielleicht sogar einmal eine Medaille gewinnen. Aber er weiß auch, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. "Viel Training, viele Wettkämpfe, Qualifikation, alles Mögliche."

Seine russischen Gastgeber erlebt der 15-Jährige als überwältigend herzlich. "Sie sind alle sehr aufgeschlossen, alle sehr nett. Auch die Volunteers, die Freiwilligen." Alle seien happy, dass sie hier dabei sein dürften. "Kann man ja auch sein." Natürlich hat auch Hettrich die vielen kritischen Berichte der Medien im Vorfeld von Sotschi wahrgenommen. Aber so, wie er die Spiele nun persönlich erlebt, gibt es seiner Ansicht nach nicht das Geringste auszusetzen. "Es ist einfach traumhaft. Mehr kann man dazu nicht sagen." Am 19. Februar kehrt der 15-Jährige nach Freiburg zurück. Ausdrücklich dankt er dem Rektor des Kepler-Gymnasiums dafür, dass er die Reise mitmachen durfte. Denn so viel steht für ihn fest: "Es ist nicht nur meine bislang weiteste Reise, sondern auch die spannendste."

Ressort: Olympische Spiele

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 18. Februar 2014: PDF-Version herunterladen

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