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Mit dem Fahrstuhl ins Grab

In Jerusalem eröffnet ein unterirdischer Friedhof

Stefanie Järkel

Von Stefanie Järkel (dpa)

So, 22. September 2019 um 19:21 Uhr

Panorama

Wenn Juden sterben, werden sie für die Ewigkeit beerdigt. Eine Organisation in Jerusalem sorgt sich deswegen um Platz für die Lebenden und eröffnet einen unterirdischen Friedhof.

Der deutsche Glaskünstler Yvelle Gabriel steht während der Bauarbeiten auf dem Friedhof von Har Hamenuchot. Foto: Ilia Yefimovich (dpa)
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Die Gräber reichen bis an die Decke der Tunnel in 16 Metern Höhe. Wie Bienenwaben reihen sich auf drei Etagen die Löcher aneinander, in denen künftig Tote bestattet werden sollen. In Jerusalem wird zur Zeit an einem unterirdische Friedhof gebaut. Er liegt 50 Meter unter der Oberfläche im Berg.
"Dies ist eine neue Methode der Beerdigung, um so wenig Fläche wie möglich für Friedhöfe zu verwenden", sagt Chanania Schachor, Direktor der Jüdischen Bestattungsgesellschaft in Jerusalem, über sein Projekt. Am 30. Oktober soll der Friedhof eröffnet werden. Dann seien die ersten 8000 Gräber fertig, sagt der 65-Jährige. Letztlich sollen es 23 000 Gräber sein, die unter dem Friedhof Har Hamenuchot am Eingang Jerusalems liegen. Drei Viertel davon sollen Gräber in Wänden sein, ein Viertel klassische Gräber im Boden. "Wenn wir weiterhin einen neben dem anderen beerdigen, werden wir nicht genug Platz für die Lebenden haben", sagt Schachor.

In ein paar Jahrhunderten wird es eng in Jerusalem

Jährlich stürben in Israel rund 40 000 Juden. Ihre Gräber dürfen nicht noch einmal verwendet werden. Die Idee der Auferstehung ist Teil des jüdischen Glaubens. Die Totenruhe darf bis dahin nicht gestört werden. Feuerbestattungen sind zudem unüblich. Schachor befürchtet deswegen in 500 bis 600 Jahren Platznot im kleinen Israel mit seinen rund neun Millionen Einwohnern.

Die Tunnel für den unterirdischen Friedhof hat eine Baufirma in den Stein gefräst. Es gibt zwei Tunneleingänge, ein Zugang über Aufzüge ist noch in Arbeit. Ein Bauarbeiter steht auf einer Leiter und verspachtelt ein Grab in einer Wand. Dutzende Meter weiter schiebt ein Bagger Schutt weg. Aktuell besteht der Friedhof aus einem Längs- und einem Quertunnel. An den Kreuzungen werden mehrere Meter große, rot und gelb leuchtende Glaskugeln hängen. Diese stammen von dem deutschen Künstler Yvelle Gabriel. "Ich möchte das Licht in die Dunkelheit bringen", sagt Gabriel über die Kugeln. Der Glaskünstler lebt mit seiner Familie in Weilburg im Landkreis Limburg-Weilburg.

Der Staat finanziert nicht mit

Rund 70 Millionen Euro soll der Friedhof kosten. Der Staat finanziert nach Auskunft Schachors nicht mit. Er finanziere das Projekt vor allem durch den Verkauf von Gräbern an Juden aus der ganzen Welt, die in Jerusalem beerdigt werden wollen. Rund 50 000 Euro kostet ein Grab für einen Ausländer. Jerusalemer zahlen grundsätzlich nichts.

Unter der Decke verlaufen silberne Belüftungsrohre. Lampen spenden weißes Leselicht, um Gebete lesen zu können. Bewegungsmelder sollen später das Licht und die Luftzufuhr regulieren. WLAN soll es auch geben. "Das ist das 21. Jahrhundert, das hier angebracht ist", sagt Schachor stolz über die Technik. Sorgen, dass Menschen sich nicht in den Tunneln beerdigen lassen wollen, macht sich Schachor keine. Bereits vor 2000 Jahren seien in Jerusalem reiche Menschen in Tunneln beerdigt worden, sagt er. Außerdem sei der unterirdische Friedhof komfortabler als ein oberirdischer: Es gebe keine Hitze, kein Regen und kein störendes Gras.

Ressort: Panorama

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Mo, 23. September 2019:
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