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Suchaktion

Japanischer Vater setzt Sohn zur Strafe im Wald aus

Finn Mayer-Kuckuk
  • & dpa

  • Sa, 04. Juni 2016, 00:00 Uhr
    Panorama

Dass der kleine Yamato am Leben ist, grenzt an ein Wunder: An einem kühlen Tag, nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet, wurde er von seinen Eltern in einem Waldstück in Japan zurückgelassen.

Der Vater von Yamato entschuldigt sich vor versammelter Presse.   | Foto: dpa
Der Vater von Yamato entschuldigt sich vor versammelter Presse. Foto: dpa
TOKIO. Der Vater war genervt, schließlich hatte Yamato nicht zum ersten Mal so ein Theater veranstaltet. Als er auf dem Parkplatz nicht aufhört, mit Steinen zu schmeißen – sogar in Richtung anderer Autos, sagte er: "Wenn Du nicht hörst, dann lassen wir dich hier zurück!" Die Eltern und die kleine Schwester stiegen ins Auto, knallten die Türen zu und fuhren einige hundert Meter vor – "als Erziehungsmaßnahme", wie der Vater später unter Tränen gestand.

Als sie umkehrten, um Yamato einzuladen, war der Junge verschwunden. Davongelaufen. An einem kühlen Tag, nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet, in ein Waldstück, in dem Bären leben, die bis zu zwei Meter groß werden. Der Alptraum aller Eltern wurde für sie wahr.

Dass der kleine Yamato am Leben ist, grenzt an ein Wunder. Der Junge stapfte durch den riesigen Wald, wohl nichts von den Gefahren ahnend. Zufällig kam er auf einem im Wald gelegenen Übungsplatz des Militärs heraus, wo er einen Regenunterschlupf für Soldaten fand. Hungrig und erschöpft legte sich der Siebenjährige auf eine dreckige Matratze, mit einer anderen deckte er sich notdürftig zu, um sich gegen die bittere Kälte zu schützen. Als Soldaten zwei Tage später auf das Gelände kamen, blieb der Junge aber unentdeckt. Und so hielt sich der Kleine lange einsame Tage und Nächte hier am Leben, ohne einen Bissen Essen, nur mit Wasser aus einem Trog. Erst als drei Soldaten vorbeikamen, um in dem Gebäude Schutz vor Regen zu suchen, wurde der Junge entdeckt, dehydriert und unterkühlt, aber bis auf Kratzer an Armen und Beinen äußerlich unverletzt.

Das ganze Land reagiert mit großer Erleichterung. Die Trupps, die tagelang das Gebiet zu Fuß, aus der Luft und mit Pferden absuchten, applaudieren. Und in Yamatos Grundschule, wo sich alle 900 Kinder versammelt haben, gellen Jubelschreie durch den Saal. "Ich möchte ihm sagen, das er sich großartig geschlagen hat und tapfer war", sagt Vizeschulleiter Yoshitaka Sawada. Auf Twitter wird der kleine Yamato mit einem berühmten Comic-Helden verglichen, ein anderer vergleicht den Überlebenskampf des Jungen gar mit dem von US-Schauspieler Sylvester Stallone in seiner Rolle als "Rambo".

Nun diskutiert Japan über Erziehungsmethoden – in den sozialen Medien, in den Zeitungsspalten, in Talkshows. Wie weit können Eltern gehen, die von ihrem Kind genervt sind?

Japanische Eltern ziehen ihre Kinder im Grundschulalter meist betont sanft heran, achten aber zugleich sehr auf angepasstes Benehmen. Die Sorge des Vaters, nachdem der Junge weg war, galt zunächst vor allem dem, was der Rest des Landes von ihm denken könnte. Er tischte der Polizei zunächst eine Lügengeschichte auf: Der Junge sei grundlos beim Spazierengehen verschwunden. Erst als die Beamten ihn zu einer detaillierten Darstellung der Ereignisse drängten, kam die Wahrheit ans Licht. Der Vater entschuldigte sich dann – ebenfalls typisch japanisch – vor allem für die "Unannehmlichkeiten", die er der Öffentlichkeit und den Suchmannschaften bereitete.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 04. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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