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Internationaler Tag des Kusses

So küssen die Europäer

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  • Do, 05. Juli 2018, 20:30 Uhr
    Panorama

Am Freitag ist der internationale Tag des Kusses. Wir haben uns umgehört, wie man es in Schweden, Spanien, Grönland, England und Russland mit den Bussis so handhabt.

Freitag ist der Tag des Kusses  | Foto: dpa
Freitag ist der Tag des Kusses Foto: dpa
Wild und leidenschaftlich, zart und romantisch, rein freundschaftlich auf die Wangen – Küsse gibt es in den verschiedensten Varianten. Zum heutigen internationalen Tag des Kusses, haben wir uns umgehört, wie eng der Lippenkontakt in anderen Ländern Europas ausfallen darf.

Spanien

"El beso" ist ein Pasodoble von 1947, und der klingt übersetzt so: "Die Spanierin, wenn sie küsst – olé! –, dann küsst sie wirklich, und keine interessiert es – olé! –, aus Leichtfertigkeit zu küssen."

So wollte das Franco-Regime seine Frauen haben. Das ist lange her, darüber lachen Spanierinnen heute. Sie küssen aus Lust oder Liebe oder beidem und kämen gar nicht auf die Idee, dass sie sich da von Männern oder von anderen Europäerinnen unterscheiden. Typischer für Spanien ist, dass sie immerzu die Wange hinhalten müssen. Keine Begrüßung oder Verabschiedung ohne Küsschen links und Küsschen rechts, egal ob das Gegenüber eine alte Freundin oder eine neue Bekanntschaft ist. Das kann sich bei größeren Familienfeiern oder Abendgesellschaften ganz schön hinziehen. Von Mann zu Mann gibt man sich in Spanien die Hand, aber auch das beginnt sich gerade zu ändern. Die Männer wollen den Frauen nicht nachstehen und küssen sich mittlerweile auch, jedenfalls unter Freunden. Manchmal auch enthusiastisch auf den Mund, so wie die Podemos-Politiker Pablo Iglesias und Xavier Domènech vor zwei Jahren im Parlament: als revolutionäres Manifest! So viel Macht hat der Kuss in Spanien noch.

Schweden

Freilich küssen sich auch die eher zurückhaltenden Völker des Nordens innig und auch mit Zunge. Allerdings herrscht in Schweden eine fast schon schüchterne Zurückhaltung. Intensiv geküsst wird ohne Publikum. Paare, die selbstvergessen auf der Straße, im Kino oder im Café knutschen, sieht man kaum in Stockholm und wenn, dann sind es Touristen. Selbst das öffentliche Händchenhalten oder den Arm um den Rücken und die Schulter des Partners beim Spazieren zu legen, ist eher selten. In der Öffentlichkeit läuft, steht und sitzt der Schwede ohne Körperkontakt zum Partner, so wie Kumpel es tun.

Ganz im Gegensatz zu dieser Zurückhaltung ist der so genannte "Hångel", das Rumknutschen, von sich zuvor Unbekannten im Nachtklub, zumindest bei Teenagern und unter 24-jährigen sehr verbreitet und fast schon eine Institution. In Stockholm gibt es etwa den "Klubb Hångel", ein monatlich organisiertes Event in einem Nachtclub, der sich ein wenig ironisch aber doch auch ernst gemeint dem Thema widmet. Zungenküsse werden da wild und großzügig aber völlig unverbindlich ausgeteilt. Manchmal wird mit mehreren Personen am gleichen Abend herumgeknutscht. Das ist dann auch nicht anrüchig. Grundvoraussetzung beim schwedischen "Hångel" ist allerdings auch ein hoher Alkoholpegel in dem sich die allumfassende schwedische Steifheit aus dem normalen Alltag, wo selbst das Angucken von auf der Straße vorbeilaufenden Fremden möglichst minimiert wird, oft explosionsartig auflöst.

Grönland

Eine Besonderheit ganz weit im Norden, in arktischen Regionen wie Grönland, soll der Eskimokuss sein. Dabei werden bekanntlich die Nasen aneinander gerieben. Die politisch korrekter als "Inuit" bezeichneten indigenen Völker hoch oben entlang des Polarkreises küssen sich allerdings wie alle anderen auch mit Mund und Zunge. Ethnologisch ist der Nasenkuss nur wenig erforscht. Er kann den platonischen Begrüßungskuss auf die Wange ersetzen. Allzu häufig sieht man das aber heutzutage, etwa auf der Insel Grönland nicht. Dort grüßen sich die recht modern lebenden Inuit wie überall auf der Welt, etwa mit einem Handschlag oder Wangenküssen.

Der Eskimokuss soll ursprünglich angeblich mit der Eiseskälte in der arktischen Region zu tun haben. Wenn die Inuit sich im Schneesturm trafen, ihre Gesichter völlig mit Pelzen und Stoffen eingemummelt, waren die Nasen das Einzige was schnell zum Gruß entblößt werden konnte, lautet eine Theorie. In der Tat wären französische Wangenküsse in Eiseskälte höchst unpraktisch.

England

To kiss or not to kiss: Das ist in England mehr denn je die Frage. Und nein – mit Leidenschaft und Liebes-Geschnäbel hat dieses Dilemma nichts zu tun. Sondern damit, dass ausgerechnet in der Heimat der steifen Oberlippe deren Inhabern immer mehr "soziale Küsse" abverlangt werden. Von Briten, denen gestern noch aller Handschlag zu viel an physischer Nähe war, wird jetzt zum Hello oder Farewell gleich auch noch Wangenkontakt mit gespitzten Lippen erwartet. Ironie der Geschichte: Just da sich England absetzt von Europa, übernimmt es Gebräuche von jenseits des Kanals. Wen aber küssen? Und wen nicht? Und auf welche Wange? Einmal? Oder zweimal? Das hat verwirrte Insulaner niemand gelehrt. Beschämte Mienen und missglückte Annäherungsversuche sind überall die Folge. Hauptsache kühl bleiben und die Fassung nicht verlieren, sagen sich die Stoiker. Nach dem Brexit hört vielleicht auch das wieder auf.

Russland

Auch Russen küssen sich gern, früher sogar die Männer. Zu Sowjetzeiten bedachten sich die Apparatschiki mit schmatzenden Brüderküssen, um einander die Treue zu den Idealen des Sozialismus kund zu tun. Sie küssten auch mit Eifer ausländische Genossen, so geriet das herzhafte Lippenrubbeln zwischen Leonid Breschnjew und SED-Häuptling Erich Honecker zur Ikone des Männerkusses schlechthin. Auch auf den Schlachtengemälden des "Großen Vaterländischen Krieges" gegen Hitler sieht man immer wieder sich heftig knutschende Rotarmisten. Angewöhnt hatten sich Russlands Männer diese Zärtlichkeit übrigens schon vorher: Beim Militär unter den Zaren galt es als Auszeichnung, wenn der Befehlshaber einen Offizier mit "einem soldatischen Kuss, dreimal auf den Mund" in die Attacke schickte. Ein Abschied aus voller Seele, vielleicht für immer…
Die modernen Russen haben sich mittlerweile eine heftige Phobie gegen alles angewöhnt, was als schwul gelten könnte. Mit den Männerküssen in Russland ist es somit heute leider vorbei.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 06. Juli 2018: PDF-Version herunterladen

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