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Helfer in der Not

Wie Lawinenhunde lernen, Menschen zu retten

  • dpa

  • Do, 07. Februar 2019, 20:30 Uhr
    Panorama

Wenn Menschen von einer Lawine verschüttet werden, zählt jede Minute. Rettungshunde sind mit ihren sensiblen Nasen besonders effektiv. Seit 50 Jahren werden sie von der Allgäuer Bergwacht geschult.

Ein Lawinenhund und sein Führer suchen im Rahmen des Ausbildungstages der Allgäuer Lawinenhundestaffel auf dem Nebelhorn auf einem Lawinenfeld nach einer Puppe, die vorher im Schnee vergraben wurde. Foto: dpa
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Hündin Leila und ihr Herrchen Tino hängen an einem Seil unter einem Hubschrauber. Sie zittert, schmiegt sich an Tino, der sie im Arm hält. Um sie herum wirbeln die Rotoren Schnee auf, der sich wie eine weiße Wand auftürmt. Es scheint, als wären sie gefangen inmitten eines düsteren Sturms.

Doch ein paar Meter weiter funkelt die Sonne auf den Hängen. Dutzende Skifahrer und Snowboarder brettern die Pisten am Nebelhorn bei Oberstdorf im Landkreis Oberallgäu herunter. Die Schneedecke ist an einigen Steilhängen nur schwach gefestigt – ein einzelner Skifahrer könnte sie in Bewegung bringen. In der vergangenen Woche gingen im Allgäu drei Lawinen ab, die sechs Menschen verschütteten. Alle konnten sich frei graben.

Wenn nicht, kommen Rettungshunde wie Leila zum Einsatz. Seit 50 Jahren schult die Allgäuer Bergwacht Hunde darin, so schnell wie möglich Verschüttete aufzuspüren. Das Team bilden zwölf Hunde verschiedener Rassen mit Hundeführern. Bald ist es einer weniger: Leila geht in Rente, sie ist 13 Jahre alt.

Junghunde müssen sich an den Lärm und die Aufregung erst gewöhnen

Der Nachwuchs steht bereits in den Startlöchern – im wahrsten Sinne. Für die Junghunde der Truppe, die in diesem Jahr zum ersten Mal an der Ausbildung teilnehmen, wurden Gruben geschaufelt. Dort schützen sie sich vor Schneeböen, die entstehen, wenn der Helikopter der Bundespolizei auf knapp 2000 Meter Höhe landet, um einen weiteren Hund mit Herrchen auf dem Übungsplatz abzuseilen.

Aus einem Schneeloch spitzen zwei besonders aufmerksame Augen: Kalle, ist am Morgen das erste Mal abgehoben. Der Australian Shepard ist neun Monate alt, quirlig und möchte am liebsten zu Leila rennen. Doch heute darf er nur zusehen, wie ihr das Fluggeschirr entfernt wird, sie "such!" hört und losrennt. Sie hüpft auf einen Schneehaufen, bellt, buddelt und zerrt einen schwarzen Stoffzipfel hervor. Aufgabe bestanden: Leila hat die menschengroße Puppe im Schneeanzug gefunden.

Kalle wird in den nächsten Tagen nicht nach Puppen schnüffeln, sondern nach echten Menschen, die sich in einer Schneehöhle eingraben lassen. Besteht er, wird er im Sommer vermisste Wanderer suchen – und hoffentlich finden.

"Ausgebildete Lawinenhunde wiederholen jedes Jahr den Kurs. Die Junghunde gewöhnen sich erstmal an den Hubschrauber, den Lärm und die ganze Aufregung", erklärt der Leiter der Lawinenhundestaffel, Xaver Hartmann.

Xaver Hartmann hat mehr Leichen als Lebende geborgen

Seit 40 Jahren arbeitet er ehrenamtlich bei der Bergwacht. In seiner Laufbahn haben so vielen Erlebnisse Spuren hinterlassen, dass er gar nicht weiß, wo er beginnen soll. "Ein Glücksgefühl wie bei einer Rettung hast du sonst nie im Leben." Von seiner ersten Lebendbergung berichtet er so aufgeregt, als wäre sie erst passiert: 1983, der erste Schnee im November, vier Leute verschüttet. Zwei gerettet. Hartmann hat bisher etwa doppelt so viele Leichen wie Lebende geborgen.

Die ersten 15 Minuten seien bei einer Lawinenverschüttung entscheidend. "Danach sinkt die Chance zu überleben rapide", so Hartmann. Kommt es zu einem Abgang, wird die Hundestaffeleinheit alarmiert. Im Bestfall erreicht das Team innerhalb von 20 Minuten die Unfallstelle, oft dauert es wegen Wetter und Lage länger. Die Hunde schnüffeln, während die Helfer mit Stöcken sondieren. "Die Erfolgschance von Lawinenhunden liegt höher, da sie schneller sind", sagt Hartmann. Ist der komplette Körper samt Kopf begraben, überlebt laut Statistiken des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung etwa jeder Zweite. Meist ersticken die Personen am Schnee, der in den Mund und die Atemwege rauscht.

Das Wort "Held" hat Hartmann aber bisher kaum gehört. Generell falle die Dankbarkeit recht spärlich aus. Ab und zu höre er schon Lob. "Einmal gab’s ein Päckle mit Leckerle", erinnert er sich. Doch ihn treibt nicht die Anerkennung, sondern die Leidenschaft an. Genauso wie sein Team, das sich extra für die Hundeausbildung eine Woche Urlaub genommen hat.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 08. Februar 2019: PDF-Version herunterladen

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