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Wie man ein Herz erobert

Angela Köhler

Von

Sa, 13. Februar 2016

Panorama

In anderen Ländern setzt man auf laute Musik, verzierte Schokolade oder schwarze Magie, um die Gunst eines Menschen zu erlangen.

Foto: Montage BZ
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Der beste Weg zum Liebesglück? Vielleicht ein schönes Lied oder ein nettes Präsent? Wenn all das nicht hilft, greifen Menschen in manchen Ländern sogar auf Zauberei zurück. Und das nicht nur am Valentinstag. Dem Liebesbeweis sind keine Grenzen gesetzt.

Japanische Schoko-Orgie

Alles in Schokolade. In Tokio kaufen Frauen wie verrückt Pralinen, verzierte Tafeln, leckere Herzen oder witzige Schweinchen aus dem kakaohaltigen Genussmittel. Warenhäuser und Supermärkte bieten auf riesigen Extraständen toll verpackte Süßigkeiten an. Die Branche jubelt, sie erzielt in wenigen Februartagen 20 Prozent des Jahresumsatzes.

Die Schoko-Orgie gilt dem Valentinstag, bei dem die Japaner zum Exzess neigen. sie haben den "Tag der Liebenden" zu einer Kommerzschlacht der besonderen Art umfunktioniert. In Japan sind es die Mädchen oder Frauen, die am Zuge sind. Sie überreichen ihrem Liebsten ein Schokoladengeschenk, das "honmei" (wahre Liebe) genannt wird. Dann gibt es noch "jibun-choko", was meint, dass es für den Papa oder Bruder gedacht ist. Mehrheitlich aber verteilen Nippons Töchter "Pflichtschokolade" ("giri-choko"). Zum Valentinstag werden Vorgesetzte und Kollegen mit solchen Gaben bedacht. Der Pflichtanteil wiegt besonders schwer: Wer nicht mitmacht, hat schlechte Karten, wenn es um Job und Karriere geht.

Eigentlich war der Valentinstag in Japan unbekannt. Erst im Jahr 1936 forderte die von einem russischen Immigranten gegründete Süßwarenfirma Morozoff Nippons Töchter auf, an diesem Tag Schokolade zu verschenken. Die Betonung lag ganz eindeutig auf Frauen, was auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen ist. Die Japaner glaubten also, dass das Schenken zum Valentinstag eine Sache der Weiblichkeit ist. Am 14. März sind dann die Söhne Nippons dran. Das Revanchedatum ersann 1977 ein Konditor. Dieser Tag heißt in Japan "White Day", weil besonders weiße Süßwaren angepriesen wurden.

Mittlerweile denken sich die Hersteller immer mehr "Themen-Schokoladen" aus. Beliebt ist die "tomo choko", die Freundschaftsschokolade, die sich Freundinnen schenken und neuerdings die "my choko", meine Schokolade also. Die gönnen sich Japans Mädels selbst – an Valentin oder wann auch immer.

Asiatische Magie

Blumensträuße haben nicht geholfen. Sticker – per SMS versendet, weckten den Angebeteten nicht aus seiner Lethargie. Komplimente erwiesen sich als nutzlos. Wenn alle Mühen umsonst sind, verlegen Frauen in Südostasien sich auf Gong Tau, um die Liebe des Angebeteten zu erwecken – schwarze Magie des Taoismus, die auf dem Umweg über China aus Indien nach Südostasien kam.

Es bedarf freilich sorgfältiger Planung und Vorbereitung, um unerwiderte Liebe in feuriges Werben zu verwandeln. Denn die bislang schnöde verschmähten Damen müssen ihrem Verehrten ziemlich nahe zu kommen, ohne dass Verdacht geschöpft wird. Es geht darum, ihm ein paar Tropfen Menstruationsblut ins Getränk oder Essen zu mischen. Die Hoffnung, das Ritual könnte helfen, hegen zumindest einige Gong-Tau-Enthusiasten in Südostasien. Die Frauen der Region wollen einfach Liebe wecken, erhalten oder den sexuellen Appetit des Mannes aus dem tiefen Schlummer holen.

Die Rituale unterscheiden sich nicht sonderlich von der schwarzen Magie anderer Kulturkreise. In Pakistan streuen eifersüchtige Ehefrauen ihren Gatten pulverisiertes Schamhaar in den Morgentee, um ihn an die Familie zu binden. Wie populär Gong Tau bleibt, zeigt ein Blick in die Liste der in Asien überaus beliebten Horrorfilme. Gong Tau ist mindestens so nachgefragt wie die Beschäftigung mit Hausgeistern.

Letzten Endes graust es einem beim Menstruationsblut-Ritual für die Liebe längst nicht so sehr wie bei dem Gong-Tau-Kultmittelchen für liebeshungrige Männer. Sie hoffen, dass Gong-Tau-Öl sie an das Ziel ihrer Wünsche bei der Angebeteten bringt. Es wird aus dem Wachs einer Kerze angefertigt, die auf dem Kinn einer Frauenleiche niedergebrannt sein muss.

Mexikanische Schnulzen

Wenn Carlos sich seiner Angebeteten Laura erklären will, geht er auf die Plaza Garibaldi. Das ist ein kolonialer Platz unter malerischen Arkaden im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt. Dort versammeln sich allabendlich Mariachis – Mexikos moderne Form der Bänkelsänger. Ausgestattet mit Guitarren, Trompeten, Geigen und stimmgewaltigen Sängern fallen die aus mindestens vier Mitgliedern bestehenden Gruppen vor allem durch ein extravagantes Outfit auf – große Hüte, nietenbesetzte, enge Hosen und knappe Boleros.

Carlos mietet dann auf dem Platz eine dieser Gruppen an und schickt sie zu seiner Angebeteten nach Hause. Dort intonieren sie lautstark romantische Schnulzen, in denen es heißt "Wieder einmal bin ich in deinen Armen erwacht, weinend vor Freude" oder Ähnliches. Irgendwann schmettern die Sänger laut den Namen des Freiers – damit es keine peinlichen Verwechslungen gibt. Oder aber er taucht selbst auf.

Die Nachbarn nehmen so etwas in der Regel nicht krumm. Mexikaner lieben Musik, und so etwas wie nächtliche Ruhestörung gibt es nicht. Auch bei den romantisch veranlagten Mexikanerinnen zieht die Masche erstaunlich gut. Selbst die junge Generation liebt den Brauch, und im Internet findet man dutzende Foren mit "Tipps für die besten Liebeslieder für Ständchen." Besonders blüht das Geschäft auch in Mexiko am Valentinstag.

Ganz billig ist das Vergnügen allerdings nicht. Unter umgerechnet 100 Euro für acht Lieder ist nichts zu haben. Weil Mariachi ein freier Beruf ist, sollte man sich vorher der Musikalität der Combo vergewissern. Es soll schon böse Überraschungen gegeben haben. Weil die Unesco die Mariachis 2011 als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt hat, bemühen sich die Behörden inzwischen aber um Qualität. Damit das meist vom Opa oder Onkel (Frauen sind in der Minderheit) erlernte Geschrammel professioneller klingt, eröffneten sie vor kurzem eine Musikschule in der Hauptstadt – nur für Mariachis.

Russische Allzweckwaffe

"Da bin ich, schöne Dame", sagt Igor, verbeugt sich leicht und deutet einen Handkuss an. "Natürlich mit dschentenlmenski nabor". Wir müssen beide lachen. Igor klärte mich einst auf, was es auf sich hat mit dem "Gentlemen-Set". Es besteht aus Blumen, Konfekt und einer Flasche Sekt und ist so etwas wie die Allzweckwaffe des russischen Mannes bei Begegnungen mit Frauen. Laut Igor mit 99-prozentiger Erfolgsgarantie. Beim ersten Date, bei Friedensverhandlungen mit der Angetrauten oder der Schwiegermutter, aber auch bei Einladungen zum Essen. Als Anerkennungshonorar für die Gastgeberin, die sich stundenlang in der Küche abgeschunden hat.

Den Gentleman kostet das Set umgerechnet mindestens 30 Euro, das teuerste dabei sind die Blumen. Denn die kommen meist von sehr weit her und fliegen offenbar Business-Class. Für raffiniertere Arrangements mit Tüll, Seidenschleifen und Glitzerzeug werden locker 200 Euro fällig. Dafür sind die Preise für Schokolade und Schampus eher "demokratisch", was im Neurussischen auch "günstig" bedeutet.

Fertige Sets für eilige Gentlemen gibt es nicht. Der Dreierpack müsse schließlich zum Anlass, zur Art der Beziehung zwischen Schenker und Beschenkter und zu deren Typ passen, sagt Igor.

Mir hat er Bitterschokolade mitgebracht. Weil das dem Typ unserer Beziehung entspricht oder weil sie aus der politisch unbedenklichen Schweiz kommt? Weil sie schon ein Schleifchen umhatte, sagt Igor. Geschenkverpackungen für Pullen und Pralinenschachteln sind in Moskau eher selten. Mann muss sich selbst behelfen so gut er eben kann. Meist mit einer Plastiktüte. Die lassen Männer mit Manieren jedoch dezent in der Hosentasche verschwinden, bevor sie an der Tür der zu Beglückenden klingeln.

Ressort: Panorama

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 13. Februar 2016:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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