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ProContra: Soll man die Burka verbieten?

Frauke Wolter
  • Do, 18. August 2016
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Wir möchten den Menschen sehen! Ein Verbot der Vollverschleierung würde das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen fördern /

  | Foto: Lucia Reck
Foto: Lucia Reck

Wir möchten den Menschen sehen! Ein Verbot der Vollverschleierung würde das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen fördern /

Um es gleich vorweg zu sagen: Ein Burka-Verbot beziehungsweise das Verbot der Vollverschleierung wird in Deutschland nicht zu mehr Sicherheit im Kampf gegen den Terror führen. Zumal einer verschleierten Frau nicht per se terroristische Ambitionen unterstellt werden dürfen. Ein Verbot ist zudem wohl nicht gedeckt von dem hierzulande verfassungsrechtlichen garantierten Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit. Und es lässt sich – siehe die Erfahrungen in Frankreich – so gut wie nicht umsetzen. Trotzdem: Ein Verbot der Vollverschleierung würde das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in Deutschland eher befördern denn hemmen.

Denn es geht nicht darum, gegen Muslime und deren Kultur zu agieren. Es geht darum, unseren Begriff vom Miteinander zu bewahren. Wir möchten den Menschen sehen, mit dem wir es zu tun haben. Die Mimik ist wichtig für unsere Art zu kommunizieren. Ein Blick in das Gesicht und in die Augen hilft, das Gegenüber zu verorten. Das verschafft Sicherheit. Und gerade diese wünschen wir uns im Umgang mit Menschen, die uns erst einmal fremd sind. Sich kennenlernen, aufeinanderzugehen, sich verstehen – das funktioniert nicht gut, wenn das Gegenüber beinahe total verhüllt ist. Und dass das Gegenüber verhüllt ist, um gerade nicht mit einer freiheitlichen Welt in Kontakt zu kommen, auch und gerade weil es eine Frau ist, widerspricht ebenfalls unseren Vorstellungen von Gleichberechtigung und Freiheit.

Denn es ist etwas anderes, selbstbewusst ein Kopftuch zu tragen als geh- und sehbehindert durch die Gegend zu laufen. Das mag despektierlich klingen; aber es trifft die Realität. Das Bild einer Gruppe von Frauen im afghanischen Masar-e-Scharif hat sich da eingebrannt: Fünf Burka-Trägerinnen trippeln unsicher über die mit Schlaglöchern übersäte Straße, geführt von einem achtjährigen Jungen. Und noch etwas poppt in der Erinnerung auf: Eine Freundin in Katar, die von wilden Partys reicher, arabischer Frauen erzählt; als die bodenlange Abaya fiel und Strapse und High Heels zum Vorschein kamen.

Das sind nur kleine Einblicke, die von Widersprüchen erzählen. Natürlich können wir nicht wissen, ob es der Ehemann oder die Familie ist, die die Frauen unter den Schleier zwingen und dies auch hier in Deutschland tun. Wir können nur ahnen, wie stark die Macht der Tradition ist, und wie sehr unter Druck sich Frauen möglicherweise fühlen, wenn man sie zwingt, sich diesen zu widersetzen. Schließlich ist auch unser "dresscode" vielen fremd. Knappe Shorts, bauchfreie T-Shirts, "oben ohne" – auch unser Frauenbild sendet verwirrende Botschaften zwischen Freiheit und (Mode-)Diktat.

Trotzdem gehörten Burka und Vollverschleierung nicht zu Deutschland, nicht zu unserer Vorstellung einer offenen, sicheren und individualisierten Gesellschaft. Das gilt insbesondere bei Grenzübertritten, beim Sicherheitscheck am Flughafen, beim Besuch einer Bank beispielsweise oder beim Autofahren.

Frauen sollen zu sehen sein. Das bedeutet aber, dass es nicht reicht, ein Burka-Verbot durchzusetzen. Es gälte dann auch, muslimische Mädchen mehr zu unterstützen und zu fördern; den Kampf gegen Kinderehen und die Beschneidung mit eingeschlossen.

Ressort: Kommentare

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 18. August 2016: PDF-Version herunterladen

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